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Als Kind war er häßlich

■ Mister-Wahlen in Bremen – die Damen waren enttäuscht: „Alles nur Milchbubies“

Klaas hatte Warzen an den Händen, Segelohren, vorstehende Zähne und eine Brille. „Als Kind war ich häßlich“, sagt der 21-jährige Bankkaufmann. Am Samstag hat er sich zur Mister Bremen-Wahl in der Discothek „Happy end“ beworben. Heute hat er keine Warzen mehr, keinen Überbiß, keine Brille. „Und hier kannst Du noch die Narben sehen“, sagt er und klappt sein beringtes Ohr um. Annähen hat er es sich lassen. „Ich finde aber auch heute eigentlich nicht, daß ich gut aussehe, sondern normal.“ Trotzdem hat er sich schon mehrmals bei Mister-Wahlen beworben. In Kiel machte er sogar den zweiten Platz. Den ersten allerdings noch nie. „Weil ich zu dünn bin.“ Er hat nämlich gerade 20 Kilo abgenommen – kein Alkohol, viel Sport. Und außerdem sei „die Männlichkeit“ zu klein. Das sehe man eben im Body, den die Teilnehmer für den zweiten Durchlauf anziehen müssen.

Klaas nimmt die Mister-Wahlen nicht so ernst, sagt er. „Ist eben mal was Neues, sonst bin ich immer mit Freunden in der Disco.“ Einige der anderen elf Bewerber dagegen nehmen die Wahl ziemlich ernst: Einer ölt sich ein, ein anderer macht Liegestützen, um die Muskeln „aufzupumpen“. „Für mich ist das nur 'ne Gaudi“, sagt Michael, 22jähriger BWL-Student. Mittags schrieb er noch nichtsahnend eine Seminararbeit über die Bevölkerungsentwicklung, jetzt soll er auf die Bühne – ein Freund hat ihn einfach angemeldet. Das elegante Jackett mußte sich Michael erst noch leihen.

Doch wer das Ganze gar zu leicht nimmt und gar zu ungeübt und schwer über die Bühne geht, nur sein Gesicht in alle vier Richtungen hält, der ist gleich unten durch bei der Jury. Wer dagegen wie der Biotechnologiestudent Stephan die Jacke auszieht und sie sich lässig über die Schulter hängt, hat schon eher Chancen. „Wir sollen ja gucken, daß es jemand ist, den man auch präsentieren kann, zum Beispiel bei Produktpräsentationen und Geschäftseröffnungen“, erzählt Birgit Käting aus der Jury. Sie ist zum ersten Mal dabei und sonst Postbeamtin. Außerdem in der Jury zum Beispiel Miß Norddeich und eine Disco-Geschäftsführerin. Die Jurorinnen haben jeweils 200 Punkte, die rund 500 Gäste jeweils einen.

„Hallo, ich bin der Jens und 23 Jahre jung“, sagt Nummer 6. Er ist Augenoptiker-Azubi und geht drei bis viermal die Woche ins Fitness-Studio. „Warum treiben die alle Sport? Das ist doch langweilig“, schimpft im Publikum eine 30-Jährige. Sie und ihre Freundin sind unzufrieden. „Es gibt schönere Männer und vor allem Ältere, nicht solche Milchbubies.“ Normalerweise komme man ins „Happy end“ erst ab 25 Jahren rein.

„Dabei haben die Männer dazugelernt“, sagt Rudi Köhlke, Show-Moderator von der Miss Germany Corporation in Oldenburg, „Vor zehn Jahren waren die alle träge und konnten sich überhaupt nicht bewegen“. Damals hatte er die ersten Mister-Wahlen versucht – doch die Werbebranche brauchte keine Männer. Heute dagegen – allein der Bedarf der Männerkosmetik-Branche: Grad habe ein Landessieger, ein Bergsteiger, den Werbevertrag für Duschdas ergattert – da darf er auf der Klippe die muskulösen Arme recken.

Ein Uhr morgens – der Discjockey heizt nochmal ein. Dann der Gong: Jetzt müssen die Herren ohne Schulterpolster und Bundfalten zeigen, was sie haben. In einheitlichen schwarzen Bodys. Stephan, Nummer 2, zeigt die Dehnfähigkeit seiner Oberschenkelinnenmuskeln im Grätschschritt. Das sieht nach Arbeit aus. „Danke, Stephan, danke schön“, sagt der Moderator. Stephan will gar nicht mehr runter von der Bühne. Nummer 7 hat noch mehr zu bieten: Er rollt den Body bis zur Hüfte runter und zeigt einen schmalen Jungenspo. Kußmund zur Jury. Ohne solche Sperenzchen dagegen Klaas, Nummer 11: Hopst locker auf die Bühne, reckt die Arme zum Siegesgruß wie ein Fürst, strahlt und strahlt und strahlt... und bekommt um zwei Uhr mit 422 die meisten Punkte.

Dritter wird Nummer 7, der Stripper, der fällt dem Ersten gleich um den Hals. Den zweiten Platz bekommt der Grätscher. Der steht mit erloschenen Augen da, reicht schließlich dem Sieger über einen Meter Distanz hinweg die Hand. Tapfer lächeln die Verlierer die fünf Minuten lang, während derer die Preise verteilt werden: Haarkosmetik an alle vom Sponsor, ein Kosmetikset mit Parfüm an den Sieger, dazu ein Gutschein für eine Woche im Maritim-Hotel. Hinter der Bühne wird geschimpft: „Das ist nicht gerecht, daß der den dritten Platz kriegt, der einen halben Strip abgezogen hat. Der hätte disqualifiziert werden müssen, Ausziehen ist schließlich verboten.“ Der zweite Gewinner gar weine in der Kabine, plaudern zwei Jungs aus.

„Aber bei den Jungs muß ich nicht so trösten wie bei den Mädchen“, sagt Organisator Köhlke. „Naja, wir mußten halt die Spreu vom Weizen trennen.“ Er hat nun einen „ungeschliffenen Diamanten“ gewonnen. Geschliffen wird der Diamant in einem knapp einwöchigen Kurs: Da lernt er sprechen und laufen. Anschließend muß er sich der Agentur zur Verfügung halten. Im Unterschied zu den Miss-Wahlen dürfen Mister verheiratet sein – „ein Mann muß ja kein Kind erziehen, ist also einsetzbar“, sagt Köhlke. Bei Modenschauen wird Mister Bremen 3-500 Mark einnehmen. Im Dezember ist dann Mister Germany-Wahl. Während Sieger Klaas noch Sekt trinkt und Interviews gibt, packen die Verlierer ihre Sporttaschen und fahren durch die kalte Nacht nachhause, zum Teil bis nach Papenburg. Christine Holch

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