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Alles recht vage in Klein-MimmelageDer Augenbrauen-Bar-Hype

Ausgehen und Rumstehen

von Jenni Zylka

Auch andere Menschen sind unangemessen albern, ein Glück. Am Mittwoch überraschte mich ein seriöser Freund in angeschickertem Zustand mit seiner kleinen Sammlung beschreibender Redensarten, von „Alles cool in Kabul“ über „Alles Roger in Kambodscha“ bis hin zu „Alles ranzig in Danzig“ – das beflügelte meine Phrasenfantasie natürlich im höchsten Maße und verleitete mich dazu, ihm den ganzen Abend SMS zu schicken, um 22.30 Uhr „Alles Scheiße an der Neiße“, um 23.30 Uhr „Alles gut in Caputh“, um 0 Uhr „Alles recht vage in Klein-Mimmelage“ und um 0.30 Uhr „Alles bestens im KDW“, was ich in der Hitze der Nacht als besonders hintersinnig empfand. Ähnlich albern müssen auch die Mitglieder der Band „De-Phazz“ gewesen sein, die Ende der 90er den wunderschönen „The Mambo-Craze“ schrieben, in dem Sängerin Pat Appleton einst reimte: „Space cake break / at the Titicaca lake / got some more in Equador / asked for a dance / in a dive in Port-au-Prince / went too far in Bogota“. Titicacasee: eine tolle Idee für einen Urlaub! Wieso war ich noch nie da? Appleton spielte am Donnerstagabend jedenfalls mit ihrem Jazzquintett im schnieken Hotel „Das Stue“ Songs von der neuen Platte (und nicht den Space-Cake-Song), was aber nichts ausmachte: Es war ein grundsympathisches Konzert mit einem Mann, der seinen schnuckeligen kleinen Ukulelenbass genauso gut zu zupfen wusste wie den großen Kontrabass, und mit einer gut gelaunten Frau Appleton, die zwischen den Songs ungekünstelt Dönekes vertellte wie Jürgen von Manger, nur eben zum Thema Liebe, und manchmal sogar an die große Erykah Badou erinnerte, oder an Jamiroquai, ganz langsam abgespielt.

Dann kam der Freitag, dessen Highlight mich in Form eines T-Shirts-Aufdruck erreichte: Auf dem breiten Rücken eines blau gekleideten, etwas staubigen Handwerkers, der an mir vorbei in seinen Feierabend ging, erhaschte ich die Worte www.feuchte-kellerwände.de, und meine Freundin musste mich festhalten, damit ich nicht hinterherspringen und um Mitgliedschaft bei dieser Domain bitten konnte: „Möchtest du das wirklich, Jenni@feuchte-kellerwände.de?“, zweifelte sie und bat, mich doch erst mal über Sinn und Zweck dieses Vereins zu informieren. Was ich auch tat, aber da ist alles einwandfrei: Es geht um Abdichtung, Horizontalsperren und Bitumendickbeschichtung, Vokabeln, die längst in meinen aktiven Wortschatz gehörten, wenn nur meine beiden linken Pfoten nicht ständig im Weg wären.

Immerhin konnten sie Samstag schon wieder ein Glas halten – in der Laura-Mars-Galerie wurde nämlich eine großartige Installation eröffnet, ein Video des Künstlers Matias Bechtold, der 2002 mit Jaki Liebezeit und anderen gejammt und das Konzert gefilmt und in das selbst gebaute Miniaturmodell eines Kinos übertragen hatte. Das Charmanteste an der Idee ist, dass das Kinomodell in den ausgeweideten Körper eines alten Staubsaugers hineingebaut wurde – das vermindert nicht nur die Entstehung von Müll, sondern zeigt auf überzeugende Art und Weise die Schönheit von Industriedesign.

Sonntag schlenderte ich durch den Park am Gleisdreieck bis hin zu einer neuen blechernen Hipsterbrauerei, in der es Biere und Bärte galore gibt. Natürlich habe ich weder gegen das eine noch gegen das andere etwas einzuwenden, obwohl ich als Puffbrausenfreundin das Bierbrauen persönlich ungefähr so nötig finde wie die neuen „Brauenbars“ in den Kaufhäusern, in denen man seine Augenbrauen waschen, föhnen, schneiden und legen kann – aber jedem Tierchen sein Bierchen, sage ich jetzt mal mit dem Restgroove aus der eingangs erwähnten Phrasensammlung. Ach nee, war wohl doch eher Restalkohol.

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