: Alles neu in der Asse
„Zum Glück ist das Lügengebäude vor dem Grubengebäude eingebrochen“. Initiativen begrüßen Strahlenschutzamt als neuen Manager des Pannen-Atomlagers Asse II, wollen aber einen Kontrolleur. Sander widerspricht Gabriel: „Kein GAU“
Im einstigen Salzbergwerk Asse im Landkreis Wolfenbüttel lagern etwa 126.000 Fässer mit schwach und mittelstark strahlendem Müll. Sie wurden in der Zeit zwischen 1967 und 1978 eingelagert. Seit 1988 sickert nicht kontaminierte Salzlauge in die Asse. Handelte es sich zunächst um eine Forschungsanlage, das als Modell für den Salzstock in Gorleben dienen sollte, soll das Bergwerk jetzt zum Endlager werden. Durch den jetzigen Betreiberwechsel in die Verantwortung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sollen Mensch und Natur über eine strikte Anwendung des Atomrechts stärker als bisher vor radioaktiven Abfällen geschützt werden. Unter anderem müssen Genehmigungsverfahren beim Atomrecht mit öffentlicher Beteiligung durchgeführt werden, was Anwohner seit langem gefordert hatten. TAZ
VON REIMAR PAUL
Der gestern angekündigte Betreiberwechsel für das Endlager Asse ist bei Atomgegnern in Niedersachsen überwiegend auf Zustimmung gestoßen. Nach Ansicht der Umweltschützer müssen die Veränderungen beim Umgang mit radioaktiven Schrott aber wesentlich weiter gehen. „Zum Glück ist das Lügengebäude noch vor dem Grubengebäude zusammengebrochen“, sagte Thomas Erbe von Robin Wood, der auch im Asse-Koordinationskreis mitarbeitet. Skeptisch war er auch: „Ob dies noch rechtzeitig war, um für die Probleme der Asse eine ansatzweise akzeptable Lösung zu finden, ist leider nicht sicher.“
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein niedersächsischer Amtskollege Hans-Heinrich Sander (FDP) hatten sich am Vormittag darauf verständigt, dass das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter ab Mitte Oktober Regie in der Asse führt. Gleichzeitig soll die Anlage nach Atomrecht wie ein atomares Endlager behandelt werden, nicht wie bislang als Forschungsbergwerk.
Sander widersprach der Aussage Gabriels, es handele sich bei der Affäre um den „GAU“ für die Debatte über ein permanentes Endlager. Man sei sich einig, dass „im Augenblick keine Gefahr für die Menschen besteht“. Bereits am Mittwochabend hatte Sander (FDP) dem Landesbergamt mit sofortiger Wirkung die Aufsicht über die Asse entzogen. Zuvor waren bereits zwei Disziplinarverfahren eingeleitet worden: eines gegen den Leiter der Bergbehörde, das andere gegen einen Referenten, der für die Asse zuständig war. Dass mit Cäsium verstrahlte Lauge ohne notwendige atomrechtliche Genehmigung tief in der Asse verklappt worden war, hatte seit Juni für Furore gesorgt und den gestrigen Betreiberwechsel ausgelöst. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig liegen mittlerweile fünf Strafanzeigen gegen den bisherigen Betreiber Helmholtz-Zentrum wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen vor, eine kommt von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast.
Auch Sicht der Landtags-Grünen war der Betreiberwechsel überfällig. „Anders hätte es keine Chance gegeben, sich mit den von diesem Endlager ausgehenden Gefahren sachgerecht auseinanderzusetzen“, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel. Die Risiken für Mensch und Umwelt und der finanzielle Schaden seien bereits jetzt enorm. Nun müssten Hintergründe und Verantwortlichkeiten des Asse-Desasters aufgeklärt werden. Wenzel wiederholte seine Forderung nach einem Untersuchungsausschuss des Landtages: „Wir brauchen den, damit die Fehler nicht wiederholt werden und die Versager nicht wieder an den Drücker kommen“.
Die Linke verlangt ebenfalls einen Ausschuss. Damit er zustande kommt, sind aber auch Stimmen aus der sich bislang zierenden SPD nötig. Udo Dettmann vom Asse-II-Koordinationskreis regte an, dem neuen Betreiber ein Kontrollgremium für die Asse an die Seite zustellen. Das BfS habe bereits in jüngster Zeit dem Helmholtz-Zentrum „auf die Finger gesehen“. Diese Funktion gehe verloren, wenn nicht ein Kontrolleur eingesetzt werde. Die Menschen in der Region erwarteten vom BfS eine größere Bürgernähe und persönliche Kontakte zum Management, sagte Dettmann. Als vordringliche Aufgabe des BfS sieht Ursula Kleber vom Verein „AufpASSEn“ eine vollständige und glaubhafte Erfassung des radioaktiven Inventars in der Asse an. „Nur gucken, ob die Lieferscheine richtig in die Asse-Datenbank übertragen worden sind, reicht nicht“, sagte Kleber zur taz. Sie spielte damit auf den TÜV an, der nach bloßer Durchsicht der Begleitpapiere erklärt hatte, in der Asse sei kein hochradioaktiver Müll gebunkert.
Für den Herbst ist ein Gutachten der „Arbeitsgruppe Optionenvergleich“ angekündigt. Bis dahin wollen die Atomgegner weiter genau beobachten, was in und um die Asse geschieht. Für den 12. September haben sie eine Protest-„Nacht am Schacht“ angekündigt, bei der das Bergwerk in einem Laternenumzug umrundet werden soll.
Derweil attackierte der CDU-Landtagsabgeordnete aus der Region, Frank Oesterhelweg, seine Parteikollegin Schavan: Sie habe das Problem Asse „aussitzen“ wollen.
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