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Alles in Salzbutter

In der Bretagne ist das Meer nie weit. Auch die Butter, eine ständig verwendete Zutat in der Region, schmeckt danach

Butter ist in der Bretagne ein Statement Foto: Lubitz+Dorner/plainpicture

Aus der Bretagne Verena C. Mayer

Bei einem Abendessen in der Hafenstadt Brest fragte ich den Koch, ob er aus der Gegend komme. „Je ne suis pas un breton pur beurre“, antwortete er. Er sei kein Bretone aus „purer Butter“. Der Vater stamme aus der Gegend, die Mutter aus dem Elsass, wo er die ersten Lebensjahre verbracht hatte. Also: Kein waschechter Bretone, kein breton pur beurre.

Butter spielt in der Bretagne eine gewichtige Rolle. 12 Kilo werden hier pro Kopf und Jahr verzehrt, mehr als doppelt so viel wie in Deutschland und auch 4 Kilo mehr als im restlichen Frankreich, wo man ja ebenfalls nicht an Butter spart. 22 Kilo Butter, zum kunstvoll verzierten Block geformt, werden der Jungfrau Maria alljährlich in der bretonischen Gemeinde Spézet dargebracht. Ein jahrhundertealter Brauch, den es früher vielerorts gab. Und noch eine dritte Zahl: 500 Gramm, statt wie bei uns 250, wiegen die Butterbarren, die meist in den bretonischen Supermärkten liegen – leider ungeeignet, wenn man wie ich mit dem Auto unterwegs ist. Ich stibitze mir meist die kleinen Päckchen, die man zum Abendessen im Restaurant bekommt.

Ein Grund, warum ich die Bretagne so sehr liebe, ist die stete Nähe zum Meer, das hier nie weiter als eine Stunde Fahrt entfernt ist. Es dauerte, bis ich auch das grüne Hinterland entdeckte und damit den Grund für die bretonische Butterliebe: das gemäßigte und niederschlagsreiche Atlantikklima bietet ideale Bedingungen für die Weidewirtschaft. Allerdings ist es in der Bretagne auch ziemlich feucht. Schlecht, um Käse zu lagern. Um Milch dennoch als Handelsgut transportierbar zu machen, wurde sie zu Butter verarbeitet. Durch die Zugabe von Salz verlängerte sich die Haltbarkeit. An der Südküste wurde es bereits zur Eisenzeit geerntet. Bis heute ist beurre salé der bretonische Standard. Rund 80 Prozent der in der Bretagne konsumierten Butter sind gesalzen. Ich mag sie mittlerweile viel lieber als die ungesalzene.

Das Faible für gesalzene Butter hat auch politische Gründe. Früher war Salz zur Konservierung von Lebensmitteln unverzichtbar, also erhob das französische Reich Mitte des 14. Jahrhunderts eine Salzsteuer. Doch damals war die Bretagne noch ein unabhängiges Herzogtum, von der Steuer nicht betroffen und daher großzügig im Umgang mit Salz. Erst 1532 wurde sie offiziell an die französische Krone angegliedert. Die Bretonen sind stolz auf ihre eigene Geschichte und Kultur, die sie – Nachfahren keltischer Einwanderer – vom Rest des Landes unterscheidet. Der Genuss von beurre salé ist somit auch ein Statement: Wir sind anders als ihr und ganz französisch werden wir nie.

Kein Mahl, kein morgendlicher Gang zum Bäcker, bei dem ich nicht daran erinnert werde. Alles wird hier in viel (Salz-)Butter gebraten, geschmort oder geschwenkt und eine Dessertkarte ohne caramel au beurre salé ist praktisch nicht existent. Mein Favorit: „Bretonisches Tiramisu“ mit Karamell und bretonischen Keksen. Auch die sind natürlich mit reichlich Butter versetzt, wie alle Backwaren hier. Oft sind sie so fettig, dass die Tüte schon nach wenigen Minuten glasig glänzt.

Da ist der berühmte Kouign-­amann, ein von einer Karamellkruste überzogenes blätterteigähnliches Gebäck, das in jeder Boulangerie verkauft wird. Manchmal bekommt man ihn auch mit dem in der Bretagne beliebten Buchweizenmehl, was mir persönlich besser schmeckt.

Allgegenwärtig ist auch der gâteau breton,der „bretonische Kuchen“ (man mische sechs Eigelb mit 250 Gramm Mehl, 250 Gramm Zucker und 250 Gramm Salzbutter), sowie seine kleinen Verwandten, die bereits erwähnten palets bretons. Diese Kekse werden überall in Biscui­terien verkauft, meist schmucklosen Bauten an Überlandstraßen. Umso bunter geht es innen zu, wo sich verzierte Dosen mit verschiedenen Keksen stapeln. Sie sind inzwischen mein Standardmitbringsel für die Daheimgebliebenen.

Die berühmteste Butter der Bretagne kommt indes aus Saint-Malo, wo der Buttermachersohn und -enkel Jean-Yves Bordier Mitte der 1980er Jahre einen kleinen Butterladen übernahm und zur globalen Marke ausbaute. Köche und Genießerinnen in aller Welt kochen mit seiner Butter, die nach traditioneller Methode von Hand geknetet und geformt wird. Produzenten wie er sind in der Bretagne heute die Ausnahme, aber es gibt sie noch: Butterenthusiasten, die auf ihren Weiden alte Rinderrassen wie Pie Noir und Froment du Léon halten und deren Milch zu fassgestampfter Rohmilchbutter verarbeiten, die je nach Jahreszeit verschieden schmeckt.

Das finale Produkt wird gerne aromatisiert. Dass sie als Amuse-bouche serviert wird, war aber auch mir neu, bis ich kürzlich im Michelin-besternten La Table de La Butte in Plouider war. Vor dem Essen schob ein Kellner den eigens designten Butterwagen herein, trug uns die Kreationen des Abends vor und formte uns – gemäß unserer Bestellung – kleine Butternocken mit Algen, fermentierter Zucchini, Buchweizen, lokalen Wildkräutern.

Wer noch mehr Restauranttipps braucht, dem sei das größte bretonische Gastromagazin ans Herz gelegt. Sein Name lautet: Pur Beurre.

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