■ Kommentar: Alles für Mundschenke
Erst die (Abriß)-Arbeit, und dann... kommt eines Tages die (zu) späte Einsicht, daß behutsame Stadterneuerung auch an der Holstenstraße fehlgeschlagen ist. Billigend in Kauf genommen wird nicht nur der – kulturhistorisch bedauerliche – Verlust gründerzeitlicher Häuser, sondern – wohnungspolitisch skandalöser – die Zerstörung preisgünstigen Wohnraums.
Sein Versagen weist der Bezirk geschickt von sich: Sieht denn niemand ein, daß den Mietern Lärm und Abgase an der innerstädtischen Hauptverkehrsader nicht zumutbar sind? Und erst der Brauereigestank! Oder wollten Sie etwa eine ewige Bierfahne als Nachbarn? Altonas Verwaltung mutiert zur engagiertesten Mieterschützerin Hamburgs – scheinbar: Wer erst eine unzulängliche Verkehrsführung und fragwürdige Bebauungspläne genehmigt, um später die unerträgliche Wohnlage zu verurteilen, verdreht die Fakten.
Mit dem mächtigen Holsten-Konzern will man es sich nicht verscherzen. Nicht auszudenken, wenn der mit Abwanderung drohte: Ade, schöne Gewerbe-steuer? Ade, Bierkiste als weihnachtliche Erkenntlichkeit für die planenden Mittäter? Nein, nein, da kann man doch auf woh-nungsgenötigte Mieter keine Rücksicht nehmen. Die können sich schon glücklich schätzen, daß man ihnen überhaupt Ersatzwohnraum anbietet. Am besten in der Stresemannstraße oder am Flughafen – damit sie Gestank und Lärm nicht missen müssen.
Erst die (Denk)-Arbeit und dann... handeln – der Tip kommt für expansionsdurstige Brau-Manager und standortbesoffene Genehmigungs-Behörden ohnehin zu spät. Heike Haarhoff
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