: Alles außer Bayern
Was Sie über die Bundesligasaison der 17 wichtigsten Erstligaklubs wissen müssen: Dortmunds Endspurtqualitäten, FreiburgsMustertrainer, Kiels kecker Kampf und vieles mehr
Von René Hamann, Johannes Kopp, Martin Krauss und Andreas Rüttenauer
Bayer 04 Leverkusen
Für den Überraschungsmeister und Doublesieger von 2024 war es die schwierige dritte Saison unter dem spanischen Heilsbringer Xabi Alonso. Schon der Start geriet rumpelig, bis der Sieg im Pokal bei den Bayern so etwas wie die Wende einleitete. Am Ende wurde man locker die zweitbeste Mannschaft in Deutschland; für mehr reichten Sprit und Esprit nicht. Und so verlor man sogar das DFB-Pokalhalbfinale in Bielefeld: Raus mit Applaus für die Helden von 2024, die es fortan in alle Welt verstreut. Nächstes Jahr wird ein völlig anderes Team in noch niedrigeren Sphären spielen.
Eintracht Frankfurt
Wer träumt bei der Eintracht denn nicht vom Champions-League-Startgeld und noch viel mehr? Den größten Geldregen gab es aber schon mitten in der Saison. 75 Millionen Euro überwies Manchester City im Januar für den Dauertorschützen Omar Marmoush, der in 17 Spielen 15-mal traf. Dessen Sturmpartner Hugo Ekitikè soll der Eintracht im Sommer gar 100 Millionen Ablöse einbringen. Für Randal Kolo Muani bekamen die Hessen vor zwei Jahren 95 Millionen Euro. In Frankfurt fragen sich nicht nur die vielen Anzugträger: Ist das noch ein Fußballverein oder schon eine Bank?
SC Freiburg
Julian Schuster wurde von den Freiburger Fans mit einem nicht ganz ironiefreien Lied bereits gefeiert, bevor er das schwierige Erbe von Christian Streich antrat. „Morgens isst er Müsli, abends geht er früh ins Bett; oooh Julian Schuster, du alter Gauner …“ Der Text stammt aus den Profizeiten von Schuster im SC-Trikot. Aus dem Musterprofi ist im ersten Berufsjahr ein vorbildhafter Trainer geworden – ganz im Sinne des Vereins. Stets auf die bescheidene Herkunft des SC verweisend und vor allem auf das sehr, sehr schwere Spiel am nächsten Wochenende. Seine Arbeitsweise: unauffällig, aber effizient. Man muss eben nicht unbedingt mehr Tore erzielen als hinnehmen, um international zu spielen.
Borussia Dortmund
Weil es weniger darum geht, Champion zu werden, sondern darum, in der League der Champions mitzuspielen, ist BVB weiter ein Spitzenverein. Das war der Anspruch auch in dieser Saison, und zum Ende hin scheint das auch alles zu klappen. Die letzte Niederlage wurde Mitte März 2025 kassiert, und seither gab es (fast) nur Siege. Saisonschlussphasenmeister, auch ein schöner Titel.
1. FSV Mainz 05
In Mainz hat man für sich eine neue Tabelle entdeckt. In der herkömmlichen ist man die letzten Wochen aus dem Champions-League-Bereich herausgerutscht. Und damit das am Ende nicht noch als Misserfolg gewertet wird, bringt Sportvorstand Christian Heidel dieser Tage die Fernsehgeldtabelle ins Spiel. Mindestens drei Plätze habe man in diesem Tableau gutgemacht, konstatierte er. Und das beschere dem Verein 6 bis 7 Millionen Euro mehr TV-Gelder. Die Stimmung im Verein ist sowieso bestens, seitdem der Däne Bo Henriksen das Traineramt übernommen hat. Denn der kennt nur die Spaßtabelle. Sein Vergleich zur Vorsaison fällt so aus: „Letztes Jahr war auch Spaß, aber nicht so Spaß.“
RB Leipzig
Jürgen Klopp sitzt seit Januar regelmäßig auf der Tribüne, wenn die Rasenballer spielen. Er ist ja jetzt Weltkopf des Fußballs beim Klubeigentümer Red Bull. Eingefallen ist ihm nicht viel zu dem Gekicke der teuren Mannschaft. Nächstes Jahr darf sie nicht mal in der Champions League spielen. Die Fans können sich nun die teuren Auswärtsfahrten nach Madrid, London oder Mailand sparen, zu denen sie vielleicht sowieso nicht aufgebrochen wären. Und der Filialklub in Salzburg wird wieder nicht österreichischer Meister.
Werder Bremen
Bei nicht wenigen Werder-Fans sind grundsätzlich die Erinnerungen an die legendären Europacupspiele ihres Teams vor über einem Jahrzehnt zugänglicher als die an die Zweitligaspiele vor drei Jahren. In den letzten Wochen war der Traum von der Rückkehr ins internationale Geschäft besonders lebendig, ehe er am vorletzten Spieltag platzte. Diese Saison weckte sowohl die schönsten als auch die schlimmsten Erinnerungen. Nach einer passablen Hinrunde folgte eine beeindruckende Niederlagenserie, die wiederum durch eine beeindruckende Siegesserie wettgemacht wurde. Eine Frage bleibt in dieser Saison ungeklärt: Ist Werder eigentlich gut oder schlecht?
VfB Stuttgart
Leergekauft und ausgebuht, mit einer sagenhaft schlechten Heimbilanz: Das ist der VfB, nachdem man in der Vorsaison noch die zweitgeilste Truppe der Liga stellte. Und doch ist dank des Pokals noch die große Versöhnung drin. Mit Schlaks Nick Woltemade hat man wieder die Zukunft in den eigenen Reihen (diesmal bitte nicht wegkaufen lassen); und bis dahin erinnert man sich an die Schlachten mit dem BVB und Leverkusen nach einer ansonsten eher trüben Saison.
Borussia Mönchengladbach
Die größte Stabilität weist bei der Gladbacher Borussia der Trainer auf: Seit 2023 darf Gerardo Seoane alles sportlich leiten, was am Niederrhein rumläuft, auch wenn nur (oder immerhin) ein magerer Mittelfeldplatz herauskam. Wieder. Denn an große Zeiten wird nur erinnert, wenn einer der Alten runden Geburtstag feiert. Günter Netzer wurde dieses Jahr 80. Glückwunsch, Borussia, zu diesem Ehrentag!
FC Augsburg
Auf seine Art ist der FCA ein Bundesligadino. Seit 2011 schleicht er durch die erste Liga, und wenn er zu Saisonbeginn überhaupt als irgendwas gehandelt wird, dann als Absteiger. Nun hat der FCA eine gute Saison hingelegt – nur 2014 und 2015 war er besser –, aber keiner kriegt’s mit. Vielleicht weil kurz vor Schluss noch ein 0:4 in Stuttgart passierte? Vielleicht weil die wahren Helden des FCA, Helmut Haller und Bernd Schuster, zu lange weg sind?
VfL Wolfsburg
Ja, man hat sich gewöhnt an den Volkswagenklub, auch wenn es wohl niemanden gibt, der behaupten würde, dass er der Liga guttut. Wieder einmal gab es viel Fußball zum Wegschauen in Wolfsburg. Absteigen wird der Klub wohl dennoch nie. Dafür ist er dem Autokonzern immer noch zu wichtig. Obwohl es kriselt im Konzern, hat er für den VfL noch mal tiefer in die Tasche gegriffen als in der Vorsaison.
1. FC Union Berlin
Und noch eine Durchschnittssaison für einen Klub, der längst im Durchschnitt angekommen ist. Die Rückkehr des Haudegens Steffen Baumgart, eben erst in Hamburg geschasst, passt ins Bild: Gras fressen ist angesagt am geografisch rechten Rand der Hauptstadt. Aber egal, solange Hertha noch weiter unambitioniert im Unterhaus dümpelt. Mindestziel Klassenerhalt ist erreicht, das wird auch weiter das Niveau sein an der Alten Försterei. So lange, bis der eiserne Gemischtwarenladen, was das Spielerpersonal betrifft, wieder mehr Griff hat.
FC St. Pauli
Stand Freitag war noch nicht klar, ob es zur nächsten Saison wieder ein Stadtderby geben wird. Aber das sind Zweifel rein rechnerischer Natur; die sportlichen hat der Kiezklub in einer recht ordentlichen Saison recht ordentlich beiseite gespielt. Mannschaft steht, Trainerstab wackelt nicht, Fußballkultur hat Potenzial. Der Weg nach weiter oben stünde frei, bleibt man beständig und vermeidet die Fehler der Konkurrenz (siehe Union Berlin). Auf der Höhe von Hoffenheim ist man schon mal.
TSG Hoffenheim 1899
Aufzuzählen, warum die TSG nicht in eine Liga von lauter, na ja, Traditionsvereinen gehört, ist passé. Hoffenheim ist auf dem besten Wege, ein ganz normaler Fußballklub zu werden: Ein Gerade-so-Nicht-Abstieg heuer, und seit RB oben mittut und sogar SAP-Milliardär Dietmar Hopp seine Stimmrechtsmehrheit zurückgab, regt sich kaum noch jemand über die TSG auf. Bald wird der Verein noch mit Heidenheim verwechselt.
1. FC Heidenheim
Noch ein Jahr Heidenheim im Oberhaus? Gut möglich, auch wenn lange Zeit nicht wirklich viel für einen Klassenerhalt gesprochen hat. Ob sich außerhalb Heidenheims darüber jemand freut? Im ersten Bundesligajahr hat alle Welt noch freudig gestaunt über das niedliche Bundesligakaff, von dem nur die wenigsten hätten sagen können, wo es genau liegt. Sogar der FC Chelsea musste es herausfinden, weil die Heidenheimer sich für den Europapokal qualifiziert hatten. Echt jetzt? Ja, Heidenheim hat in der Conference League gespielt und sogar vier Spiele gewonnen. Hätten wir beinahe vergessen.
Holstein Kiel
In Kiel wird also nicht nur Handball gespielt. Das weiß Fußballland nun nach der Stippvisite der sogenannten Störche in der ersten Liga. Dass da ein Team, dem niemand etwas zugetraut hat, trotz andauernder Ergebniskrisen weiter wacker mitkicken wollte, sollte positiv in Erinnerung bleiben. Fast bis zum Saisonende blieb die kühne Vorstellung vom Klassenerhalt eine, die rechnerisch noch möglich war. Vielleicht passiert den Kielern ja irgendwann mal wieder ein Aufstieg. Es wäre ihnen zu gönnen.
VfL Bochum
Für viele mag der Absteiger der Herzen auf ewig Schalke 04 sein. Aber was sich bei der letzten Heimpartie der Bochumer abspielte, war wirklich ganz großes Kino. Solch eine ergreifende Herzschmerzgeschichte hat man schon lange nicht mehr gesehen. Als nach dem Abpfiff der bereits siebte Abstieg feststand, flossen bei den Spielern die Tränen, während das Publikum seine gescheiterten Helden auf den Rängen feierte und ihre klassenunabhängige Treue besang. Die Liga verliert mit dem VfL ein großes Stück Fußballromantik. Wo kann man noch so rustikales Fußwerk zeigen, ohne Unmut zu erzeugen? Wo verbindet die fehlende Aussicht auf eine bessere Zukunft das Publikum und Fußballprofis so stark? Den VfL Bochum braucht es in der Bundesliga allein deshalb, damit er ein weiteres Mal so schön absteigen kann. Und ja, wegen der Grönemeyer-Stadionhymne natürlich auch. Schluchz!
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