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Archiv-Artikel

Alles auf Geld gebaut

KORRUPTION Was treibt Politiker heute an? Ein Politberater packt aus

Eines goldenen Tages wird man die Stimmen der Politiker legal an der Börse handeln

Wem gehören Politiker? Sind sie das Eigentum ihrer Parteien, zählen sie zum Besitz des kompletten deutschen Volkes – oder stehen sie in der nackten Realität nur einigen glücklichen Firmenchefs zur Verfügung?

Heute ist es der Atomdeal, der die Nerven einer gereizten Öffentlichkeit zum Sirren bringt. Aber schon das Gestern ist mit zahlreichen Fällen von Klientelpolitik tapeziert. Die Namen sind bekannt und brauchen nicht rezitiert zu werden, beispielsweise der von Guido Westerwelle: Kaum mit den Ministerstiefeln versehen, führt er bei seinen Auslandsreisen einen Sack voller Unternehmer im Gepäck, denen er über einen persönlichen Draht, durch verwandtes Blut oder gemeinsames Geld verbunden ist; Geld, das zum Beispiel durch sogenannte Spenden in die gelben Kassen der FDP gelangt ist und irgendwann mit leiser, aber nicht zu tötender Stimme nach einer Gegenleistung verlangt.

Ältere Mitbürger werden sich an Piëchs Pudel Gerhard Schröder erinnern. Wer, statt in nationaler oder globaler Höhenluft herumzurudern, seinen Kopf in regionale und lokale Angelegenheiten steckt, wird sogar täglich mit Belegen gefüttert, dass in Politik und Wirtschaft eine Hand aus der anderen frisst. Es gibt seit alters ein perfekt eingekremtes System aus Spenden, Sponsoring und Lobbyismus – von dem zu erwarten ist, dass es auch die Zukunft nach seinem Strich bürsten wird, um 80 Millionen frei herumlaufende Personen nach den Bedürfnissen des Kapitals aufzuzäumen.

„Es bleibt einem nur, mit vollem Beutel mitzumarschieren“, bringt es Herbert Erpelköter, der in seinem Büro am Potsdamer Platz ein paar Stockwerke über dem kreuzgewöhnlichen Mann von der Straße residiert, auf den Knackpunkt: „Den vollen Beutel müssen Sie natürlich im Schrank haben, sonst ist die Demokratie nichts für Sie.“

Der Politikmakler, der sich auf die Beratung von und Kontaktanbahnung zwischen gut geölten Politikern und Konzernvorständen spezialisiert hat, ist sicher, dass sein Beruf in den nächsten Jahren steil aufblühen wird. „Das ist ein fetter Wachstumsmarkt!“, gibt sich Erpelköter bis unter die Oberlippe überzeugt, „auf dem unsereins noch viele Ideen unter die Leute werfen wird!“

Ein erster Schritt in diese unaufhaltsam näherrollende Zukunft, so der Profikommunikator, sind auf mehrere Jahre festgezimmerte Sponsorenverträge, wie sie erstmals nach der Bundestagswahl 2009 zwischen den Regierungsparteien und der Pharmaindustrie geschlossen wurden. Ein Erfolgsmodell, wie Erpelköter nicht sauer wird zu betonen: Mittlerweile sind zwei weitere voll ausstaffierte Abkommen zwischen der Koalition und den Stromkonzernen sowie den Versicherungsunternehmen zu Ende gebacken worden.

„Rösler und Röttgen – gute Leute!“, reibt sich Erpelköter zufrieden die langen Hände. Was die beiden Minister vorgeturnt haben, wird nach seiner vielstellig bezifferten Meinung bald gang und gäbe sein: dass man, einen schwergewichtigen Geldbeutel vorausgesetzt, Politiker kauft, mietet oder least. Nur sei die Zeit nicht reif, es an die hohe Glocke zu heften, wie der Untergang des Jürgen Rüttgers gezeigt habe. Dessen ohnehin angefressenes Image wurde bekanntlich endgültig abgesenkt, als die Meldung in die Bevölkerung schwappte, er werde im Bestellkatalog seiner nordrhein-westfälischen CDU einschlägigen Geldgebern zum Kauf angeboten.

Statt mit offenem Portemonnaie zu spielen, ist es ratsam, einstweilen unter dem Teppich zu wirken. Eines goldenen Tages jedoch, sinniert Erpelköter, wird man die Stimmen der Politiker legal auf der Börse handeln, manche Politiker werden sich in leckere Aktiengesellschaften umwandeln, an denen sauber betuchte Kunden Anteile erwerben – „Zwar muss man dann mit feindlichen Übernahmen rechnen, aber das ist eben Marktwirtschaft!“, zwitschert Erpelköter –, und wer diese Gefahr weiträumig umschiffen will, wird auf Auktionen Politiker sogar am ganzen Stück ersteigern können.

Der grottentiefe Konstruktionsfehler der Republik ist damit freilich nicht ausradiert: dass Politiker letztlich wacklige Amateure, unsichere Kantonisten sind. Dauerhaft ändern wird sich das, wenn man ehrliche Interessenvertreter, also echte Firmenteams ins Parlament wählt. „Klar, schon heute sind viele Volksvertreter längst aus ihren Parteibüchern herausgewachsen. Dann aber sind die Abgeordneten endlich weithin sichtbar nach ihrem Brötchengeber sortiert!“, ruft der mit allen Geldern gewaschene Thinktank aus und steigt tiefer in seine Vision hinein:

„Ja, Brötchen und Spiele! Rom kann ein saftiges Vorbild für uns sein. Statt lahmer Redeschlachten gibt’s dann echte zwischen den Angestellten der Atomindustrie und den Repräsentanten der Solarbranche, dass das Blut von den Wänden des Reichstages tropft!“, schwillt Erpelköters Stimme vor Begeisterung an: „Das Volk würde sich alle Augen danach lecken! Und der Wille des Volkes ist ja der Sinn der ganzen Demokratie.“ PETER KÖHLER