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Archiv-Artikel

BERLIN ABGESCHNITTEN Alles alle

Wir trinken gern Kakao mit Marschmelonen

Berlin ist am Arsch. Es gibt nur noch Biohackfleisch – und der Schnee ist schuld. Ich gehe zum Supermarkt und höre, wie sich an der Kasse eine Frau aufregt. „Warum haben Sie überhaupt kein Hack mehr?“ Die Kassiererin wundert sich. Vorhin hätte es noch welches gegeben, sagt sie. „Nee“, sagt die Frau. „Nur noch Bio! Kein normales Hack. Wann kommt das? Morgen früh?“ Die Kassiererin schüttelt den Kopf. Das sei zurzeit schwierig, sagt sie. Die Lieferungen kämen manchmal verspätet – witterungsbedingt. „Aber so gegen halb elf ist es schon da, oder?“, fragt die Frau. „Eher nicht“, sagt die Kassiererin.

Egal, ich muss auch noch einkaufen. Wir wollen thailändisch kochen. Zuckerschoten, Glasnudeln, alles da. Kokosmilch. Kokosmilch? Gibt es nicht. Der Platz im Regal ist leer. Wie ersetzt man Kokosmilch? Sahne und Kokosraspel? Was hat man im real existierenden Sozialismus statt Kokosmilch genommen? Ich weiß es nicht.

Alles im asiatischen Regal ist da, nur die Kokosmilch fehlt. Wenn die Dosen weiß wären, würde ich es verstehen. Dann könnte es sein, dass der Kokosmilchlaster auf dem Eis ausgerutscht und seine Ladung in den Schnee gefallen ist und man die weißen Dosen im weißen Schnee nicht finden konnte.

Was ich noch kaufen muss, sind Marshmallows. Marschmelonen, sagt meine Freundin Eva. Wir trinken gerne Kakao mit Marschmelonen. Das geht so: Kakao kochen, sehr heiß. In große Becher gießen. Marschmelonen drüber tun, dann eine dicke Schicht Sprühsahne. Das isoliert die Marschmelonen und sie schmelzen von der Kakaowärme. Und das ist der Hammer. Jetzt stehe ich vor dem Regal, und es gibt keine Marschmelonen mehr. Das Fach ist einfach leer, wie das von der Kokosmilch. Wahrscheinlich liegen sie neben dem umgekippten Laster im Pulverschnee. Neben der Kokosmilch und dem normalen Hack.

MARGARETE STOKOWSKI