: Alle singen am Millerntor
■ Aber nur die Amateure des HSV gewinnen das Derby – drei Verletzte nach Ausschreitungen
Fans des FC St. Pauli und die des HSV reden nicht miteinander. Das war so, ist so und wird wohl auch in nächster Zeit so bleiben. Ein wahrlich außergewöhnliches Gespräch konnte am vergangenen Mittwoch am Millerntor beim Oberligaderby zwischen den Amateur-Teams von FC und HSV belauscht werden:
HSV: Weißt du überhaupt, was es mich für Überwindung kostet, ans Millerntor zu kommen?
FC: Das betonst du jedesmal.
HSV: Ja, aber wirklich – dieses baufällige Stadion und dieser –
FC: Sag jetzt nichts gegen den Rasen. Denk an euren Acker!
HSV: Und wie kalt das heute ist. Wann wird denn endlich angepfiffen? Es ist doch schon halb acht.
FC: Geht bestimmt gleich los.
HSV: Bei diesem Nebel kann ich gar nichts sehen!
FC: Du meckerst doch jetzt nur, weil unser Feuerwerk schöner ist als eures.
HSV-Fans brüllen: Hamburg!
FC: Ja, die haben schon Pech, die Hamburger. Wir haben die Reeperbahn, die Rote Flora, das Millerntor und einen Hafen. Und die haben gar nichts.
HSV: Stadtteilverein!
FC: Vorstadtverein!
HSV-Fans entrollen Anti-Pauli-Transparent.
FC-Fans antworten mit den Worten: Wir heißen Sankt und nicht Pauli!
HSV: Guck mal! Wie euer Doschke da den Benjamin foult!
FC: Du hast ja einen Knick in der Linse! Doschke muss verletzt runter. Das ist eine Katastrophe, so früh im Spiel!
Stadionsprecher fordert Philipp Doschkes Vater auf, er möchte bitte zur Kabine des FC St. Pauli kommen.
HSV-Fans: Eure Eltern sind Geschwister!
FC-Fans: Wir haben Eltern und ihr nicht!
HSV: Na gut, ihr seid wirklich kreativer.
FC: Das ist ja auch nicht schwer. Was schreien sie jetzt?
HSV: Kann ich nicht verstehen.
FC: Das geht mir bei HSV-Fans häufig so.
HSV-Fans: Deutschland!
FC-Fans: Zieht euch aus, wenn ihr Deutsche seid!
HSV: Irgendwie passiert mir das häufig, dass ich mich schäme, wenn ich andere HSV-Fans sehe.
FC: Manchmal bist du ganz vernünftig.
HSV: Wenn man daran denkt, was nach dem Spiel abgehen könnte, hofft man fasst auf ein Unentschieden. Ich habe gehört, dass sie die Fankneipe Jolly Roger stürmen wollen und dass es tierisch Feuer geben soll.
FC: Euren Kindergarten nehmen wir doch gar nicht ernst. Da wird schon nicht viel passieren.
FC-Fans: Niemand siegt am Millerntor!
HSV: Immer wenn ich am Millerntor bin und gleichzeitig Dom ist, dann verliert der FC.
FC: Auch diese Serie wird zu Ende gehen. Und zwar heute Abend. Wir gewinnen 1:0 durch ein Tor von Albrecht in der letzten Minute.
HSV: Na, das wollen wir sehen.
FC: Wie lange noch?
HSV: Viertelstunde. Du! Da! Ja!
FC: Das kann nicht wahr sein!
HSV: Collin Benjamin!
FC: Der Ausgleich fällt noch.
HSV: Hoffst du.
FC: Ihr habt doch nichts gebracht. Wir waren doch besser. Das glaube ich einfach nicht.
HSV: Wir sind jetzt wieder vor euch in der Tabelle.
FC: Das du dich hier nicht blicken lässt, wenn Dom ist und die Profis spielen!
HSV: Keine Sorge. Du weißt doch, wie ungern ich hier bin.
Bei Ausschreitungen vor und nach der Partie wurden ein Fan und zwei Polizisten verletzt. Nur durch ein massives Polizeiaufgebot konnten größere Auseinandersetzungen verhindert werden.
Aufzeichnung: Stefanie Pape
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen