■ Alle reden von Wiederaufbau und Stabilitätspakt: der Kanzler, der Außenminister, die EU, die UN. Doch die Millionen wollen noch nicht so recht fließen. Lediglich einige Soforthilfen für die provisorische Instandsetzung der zerstörten Häuser sind auf den Weg gebracht: Zukunft für Trümmerlandschaften
„Wir wollen verhindern, daß alle Helfer im gleichen Dorf sitzen“, sagt Wolfgang von Fumetti, Bereichsleiter für Südosteuropa bei der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Und deshalb werde die GTZ in der kommenden Woche in Priština ein Koordinierungsbüro eröffnen. Von dort aus sollen nicht nur die eigenen Projekte geleitet werden, sondern das Büro soll gleichzeitig Informationsbörse für alle vor Ort tätigen Hilforganisationen sein.
Um zu ermitteln, was im Kosovo derzeit am dringlichsten benötigt wird und was in den kommenden Monaten organisiert werden muß, waren Experten der GTZ, der Kreditanstalt für Wideraufbau (KfW) und der Deutschen Entwicklungshilfegesellschaft bis vor wenigen Tagen auf einer „Fact Finding Mission“ in der Krisenregion unterwegs. Ihre Vorschläge haben sie Anfang der Woche der von der Bundesregierung installierten „Arbeitsgruppe Wiederaufbau Osteuropa“ unterbreitet.
Im Ergebnis, so von Fumetti, sei der Grad der Zerstörung extrem unterschiedlich. Während es in Prizren wieder Straßencafés gebe, qualmten zehn Kilometer weiter noch die Häuser. 50 Kilometer davon entfernt finde man dagegen völlig intakte Dörfer. „Es ist ein völliges Durcheinander“, stöhnt der Südosteuropaexperte.
Als Sofortmaßnahme wird die GTZ Kunststoffplanen, Bretter und Bauholz zur Verfügung stellen, „damit die Leute wieder ein Dach über den Kopf kriegen“, so von Fumetti. Mit Folien könne man beispielsweise Dächer und Fenster abdichten, bis das Haus wieder instand gesetzt und winterfest gemacht sei. Außerdem sollen die Bauern möglichst umgehend Saatgut bekommen. Ebenso schnell sollen medizinische Hilfsgüter aus Albanien in das Kosovo geschafft werden.
Bisher hat die GTZ allerdings erst 5 Millionen Mark zur Verfügung. Über weitere Mittel ist noch nicht entschieden. „Damit kann man keine großen Sprünge machen“, räumt von Fumetti ein. Die GTZ will allerdings nicht nur für die Bundesregierung Wiederaufbauprojekte übernehmen, sondern auch EU- und UNHCR-Mittel beantragen, wie dies auch bei GTZ-Projekten in anderen Krisenregionen, etwa in Liberia, üblich ist.
Kümmern will sich die GTZ neben Soforthilfen und Häuserinstandsetzungen um die Wasserversorgung, Müll- und Schuttentsorgung, Gesundheitseinrichtungen, Lebensmittelverarbeitung, Kleinhandel und Ausbildung. „Die Kinder müssen so schnell wie möglich wieder eine kindgerechte Welt bekommen“, sagt von Fumetti. Auch wenn auf die Schnelle kein Schulsystem aufgebaut werden könne, so gelte es, wenigstens „das zivile Leben wieder anzuschieben“.
Wie viele Mittel die Bundesregierung und die EU für den Wiederaufbau im Kosovo bereitstellen, steht noch nicht fest. Lediglich für Makedonien wurden gerade gestern 45 Millionen Mark Entwicklungshilfe zugesagt. Auch beim UN-Generalsekretär Kofi Annan und seinen „Kosovo-Freunden“ – 16 Staaten und drei Hilfsorganisationen – wurde noch keine Einigkeit über Geld und Profiteure erzielt. Nur von vielen Milliarden Mark ist stets die Rede.
Dagegen hat der US-Senat am Donnerstag 1 Milliarde Mark bewilligt. Davon gehen 300 Millionen Mark in das Kosovo und der Rest an die Nachbarstaaten Albanien, Makedonien und die jugoslawische Teilrepublik Montenegro.
Im Vergleich mutet die Summe für die von Staatsminister Michael Naumann angemahnten kulturellen Aspekte beim Wiederaufbau sehr bescheiden an: 500.000 Mark stellt das Auswärtige Amt unter anderem für ein Goethe-Institut in Priština und Städte- und Universitätspartnerschaften bereit.
Die deutsche Wirtschaft scharrt derweil bereits ungeduldig in den Startlöchern. In einem Firmenpool, den die Dortmunder Industrie- und Handelskammer und die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) gegründet haben, schlossen sich 60 Unternehmen zusammen. Und die drängen auf einen hurtigen Arbeitsbeginn der EU-Wiederaufbau-Agentur unter Leitung des auf den Balkan abgeschobenen Ex-Kanzleramtsministers Bodo Hombach (SPD). Man wolle man auch am Wiederaufbau verdienen und den Kuchen nicht, wie in Bosnien, den US-amerikanischen und italienischen Firmen überlassen. Silke Mertins
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