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Alle Schienen enden am Alex

■ Senatsplaner mit Rücksicht auf Autos für fast tramfreie Innenstadt/ Absage an Gutachtervorschläge/ Ihre Zahlen seien angeblich übertrieben/ Weit weniger als hundert Kilometer Stadtbahn vorgesehen

Berlin. Schlechte Aussichten für eine »Tramstadt« an der Spree: Die zuständige Senatsverkehrsverwaltung möchte nur dort Straßenbahnlinien ausbauen oder verlängern, wo sie den Autoverkehr nicht stören. In einer der taz vorliegenden ersten Bewertung mehrerer in Auftrag gegebener Gutachten präferieren die Planer in der Senatsverwaltung weiter die U-Bahn als das in ihren Augen mit Abstand leistungsfähigere Beförderungsmittel. Verkehrssenator Herwig Haase hat versprochen, sein Grundsatzkonzept Ende des Monats vorzustellen.

Wie berichtet, hatten die Gutachter zahlreiche Trambahn-»Korridore« in den Westteil und eine direkte Linienverknüpfung beider Stadtzentren vorgeschlagen. Sie plädierten dafür, das vorhandene Netz im Ostteil zu erhalten und binnen 20 Jahren zu einem gesamtstädtischen 100-Kilometer-Netz einer modernen Tram- »Stadtbahn« auf eigener Gleistrasse weiterzuentwickeln. Dagegen strebt die Verkehrsverwaltung nur ein stark reduziertes Stadtbahnnetz an, das auch im Endausbau-Zustand »wesentlich unter 100 Kilometer« bleiben soll. Zur Begründung wird angeführt, wahrscheinlich werde das engmaschige »Zielnetz« der Gutachter nur im Ostteil noch der künftigen Verkehrsnachfrage entsprechen. Ob Straßenbahn-»Vorstreckungen« in den westlichen Teil der Stadt Sinn machten, müsse erst »tiefer untersucht« werden.

Schon heute spricht für die Senatsplaner alles gegen eine Weiterführung der Stadtbahn über den Knotenpunkt Alexanderplatz hinaus in die Ostberliner City, weil dies nur auf Kosten der für den Autoverkehr reservierten Straßenräume ginge. Eine Weiterführung sei auch erst zweckmäßig, wenn die Stadtbahn weiter in Richtung Westen, zum Beispiel nach Steglitz, geführt werde. Schlußfolgerung: »Um zu einer möglichst guten Verträglichkeit der Verkehrsarten zu gelangen, sollte eher mit der U-Bahn als mit einer an der Oberfläche geführten Stadtbahn operiert werden.«

Nach Auffassung der Haase-Planer kann eine moderne Tram im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit nur bei »ausgewählten Relationen« eine Alternative zum kostenintensiveren U-Bahn-Bau sein; in Ost-Berlin könne die Stadtbahn gegebenenfalls die bisher geplanten U-Bahn-Erweiterungen der Linie U5 nach Westen und die Linie U10 nach Weißensee ersetzen. So werden Gutachterangaben zur Kapazität der Stadtbahn als »übertrieben« bezeichnet, »weil der angenommene Takt von 90 bzw. 120 Sekunden auf einem engmaschigen Netz von Stadtbahnen bereits wegen gegenseitiger Behinderungen an Kreuzungen und Haltestellen sehr problematisch ist.«

Laut den Gutachtern kann eine zur Stadtbahn weiterentwickelte Straßenbahn unter diesen Voraussetzungen pro Stunde und Richtung zwischen 13.000 und 18.000 Fahrgäste mit einem Durchschnittstempo von 26 km/h (Hannover) transportieren — und erreicht damit annähernd die Kapazität und Beförderungsgeschwindigkeit der Berliner U-Bahn. Breitere Fahrzeuge würden sich aber auch nach Meinung der Planer des Verkehrssenators günstig für die obere Leistungsgrenze der Stadtbahn auswirken.

Dessenungeachtet wird der Gutachtervorschlag verworfen, den Flughafen Schönefeld per Trambahn mit der City zu verknüpfen. Die U-Bahn-Anbindung sei die »bessere Lösung«, heißt es. Von einer Verlängerung der Straßenbahnlinie 22 von Pankow/Rosenthal durch den Senftenberger Ring ins Märkische Viertel zum künftigen S- und U-Bahnhof Wittenau halten die Planer gleichfalls nichts. Die Begründung hier: Da voraussichtlich mehr Fahrgäste aus dem Märkischen Viertel als aus Rosenthal am Bahnhof umstiegen, sei eine unwirtschaftliche Auslastung der Verlängerungsstrecke zu erwarten.

Im Gutachten über die Verlängerungsroute Eberswalder Straße — Bernauer Straße — Invalidenstraße ist der Verwaltung zufolge nachgewiesen, daß in der Bernauer und in der Invalidenstraße der vorhandene Raum für eine vom übrigen Verkehr getrennte Stadtbahntrasse nicht ausreicht. Jetzt müsse die Zweckmäßigkeit der Anlage geprüft werden. Thomas Knauf

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