piwik no script img

Alle Dschahre wieder...

■ In der Bremer Musikszene: Nur Wiederholungstäter

Man hat sich ja inzwischen daran gewöhnt, daß Musikanten, die neu, außergewöhnlich oder einfach nur aufregend sind, auf ihrem Zug durch Europa Bremen häufig links liegen lassen. Sugarcubes, Tracy Chapman, Proclaimers, Love & Money... Wer die Newcomer erleben wollte, mußte auch 1988 mindestens bis Hamburg fahren. Nach Bremen kamen, schon traditionell, vor allem die Bewährten, Abgestandenen und Etablierten, die mit dem volle Säle garantierenden Kundenstamm zum Abfedern des Risikos. Sie allerdings erscheinen uns wie das Christkind: alle Jahre wieder.

Spricht man Veranstalter auf die Verödung der Konzertlandschaft der Hansestadt an, hört man immer wieder zwei Argumente: Zum einen fehle es an einem attraktiven, mittelgroßen Saal für zwei-bis dreitausend Zuhörer, zum anderen liege gerade im mittleren Veranstaltungsbereich eine für Bremen kritische Größe: Vergleichsweise hohe Gagen drücken Eintrittspreise und Rentabilitätsgrenzen in die Höhe, Bands wie die „Woodentops“, die ja trotz ihres Bekanntheitsgrades nur eine recht eng umgrenzte Zielgruppe ansprechen, gelten angesichts Bremens konjunkturschwacher Szene als unkalkulierbares Risiko. Und warum ein Risiko eingehen, wenn sich ein nicht verwöhntes Publikum Jahr für Jahr mit - sagen wir - Johnny Winter, H.-R. Kunze oder Herman Brood zufriedengibt - zumal inzwischen auch bei so manchem bisher sicheren Selbstläufer der Flop lauert?

Man nehme nur Deep Purple, die den Bremer Veranstalter mit einem dicken Minus zurückließen.

Aber daß das, was im Vorjahr boomte, nun plötzlich nicht mehr läuft, ist offenbar die Ausnahme. Wie sonst sollte man sich erklären, daß auch im kommenden Frühjahr das Bremer Musikgeschehen eindeutig von Wiederholungstätern bestimmt wird? Von Alien Sexfiend (19.2.) über Trouble Funk (16.4.) und Carmel (17.5.) bis zu Herbie Grönemeyer (14.6.) werden sich auf den Bühnen altbekannte Gesichter ablösen. Daß sich dahinter auch MusikerInnen verbergen, die im vergangenen Jahr den allerbesten Eindruck hinterließen, ist die angenehme Seite dieses musikalisch-kaufmännischen Sicherheitsdenkens.

So dürfen wir uns auf die Rainbirds freuen (12.4.) und auf Philip Boa. Als bisheriges Highlight des Frühjahrs darf sicherlich Gary Moore gelten, doch muß man natürlich bedenken, daß noch nicht alle Verträge unter Dach und Fach sind. Es gibt auch schon Absagen: Lou Reed, ursprünglich für Februar avisiert, spielt wahrscheinlich erst im Oktober, und das Gerücht, daß U 2 im Weserstadion das fortsetzen würde, was Bruce Springsteen dort im Juli begann, wird ein Gerücht bleiben: Sie kommen nicht.

Rainer Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen