: Allah und der Staat
Die Scharia, der „Weg zur Tränke“, ist die Rechts- und Pflichtenlehre des Islams. Sie basiert vornehmlich auf dem Koran und der Sunna und unterscheidet fünf Kategorien menschlicher Tätigkeiten: Pflichten und Verbote, empfohlene und verwerfliche Taten sowie Handlungen ohne religiöse Bedeutung. Die Umsetzung dieser Rechte und Pflichten differiert: So gelten die Regeln der Scharia in vielen muslimischen Ländern wie der Türkei oder Tunesien als Leitfaden statt als juristische Instanz; in Pakistan und dem Sudan werden Gesetzesvorschläge mit den Regeln der Scharia abgestimmt. Im Iran oder in Saudi-Arabien wird die Scharia jedoch auch für das Strafrecht herangezogen.
Gegen diese fundamentalistische Anwendung der Scharia wendet sich der Rechtsprofessor Ahmed An-Na’im. Er gehörte im Sudan der islamischen Reformbewegung von Muhammad Taha an. Dessen Grundthese: Der Koran kann nur in seinem historischen Kontext verstanden werden, das gilt auch für die Scharia, die immer wieder neu interpretiert werden muss. Ein Tabubruch in der islamischen Welt, auch wenn sich Taha wie An-Na’im auf islamische Traditionen beziehen, auf die historische Beziehung von Staat, Gesellschaft und Islam. Als die Fundamentalisten im Sudan an Einfluss gewannen, verließ An-Na’im 1985 sein Land. Nach dem Militärputsch von 1989 blieb er in den USA und wurde Generalsekretär der afrikanischen Sektion von Human Rights Watch. JO