Alke Wierth schaut sich die Nachbarn genauer an: Links und rechts vom taz-Haus
Medial ist das taz-Haus in Berlin in Kreuzberg derzeit etwas überbelichtet. Was in den letzten Tagen nicht alles geschrieben wurde über diesen Neubau, der sich durch eine „natürliche Lüftung mit Wärmerückgewinnung“ auszeichnet und so für ein angenehmes Raumklima sorgen soll. Hier ein kleiner Eindruck aus unserer Redaktion:
Von meinem Arbeitsplatz habe ich einen wunderbaren Ausblick: Ich schaue genau auf den Besselpark, wo bis vor Kurzem noch ein Meer aus roten Kastanienblüten direkt auf der Höhe unserer Fenster wogte – ein Traum.
Doch fast nie hält sich jemand dort auf, und im Moment geht das auch gar nicht, denn er ist durch Zäune abgesperrt – er wird gerade verschönt. Die Aufhübschungsmaßnahme trifft sich mit der Aufwertung der Gegend – und der kleine Park am Kreuzberger Ende der Friedrichstraße teilt mittlerweile quasi zwei Welten.
Blicke ich vom Schreibtisch nach rechts, schaue ich auf neu gebaute oder frisch sanierte Wohn- und Geschäftshäuser. Im gerade fertiggestellten „Neuhouse“, einem Komplex aus Alt- und Neubau mit in sanften Wellenformen geschwungenen sandfarbenen Balkonen und gläsernen Penthouse-Fassaden auf dem Dach kostet eine 64 Quadratmeter große 2-Zimmer-Wohnung 494.144 Euro – eine halbe Million.
Blicke ich nach links, sehe ich einen gelblich-grauen Wohnblock im Stil des Sozialwohnungsbaus der späten Siebziger – die Betonarchitektur wirkt schäbig und abweisend, bedrohlich, die mit Seitenwänden verblendeten kleinen Balkone wie Schießscharten. Kleine Mieten zahlt allerdings dort nur noch, wer sehr alte Mietverträge hat. Die Berliner Mietenexplosion ist auch an dem vor 30 Jahren aus dem Zonenrandgebiet in die Stadtmitte katapultierten Haus nicht spurlos vorübergegangen.
Die Gentrifizierung allerdings im Großen und Ganzen schon: Vornehmlich wohnen dort Menschen, von denen anzunehmen ist, dass sie es angesichts massiv gestiegener Mieten nicht mehr schaffen, die halbe Million für die Eigentumswohnung nebenan zusammenzusparen.
Aber vielleicht haben sie auch andere Präferenzen? Ein mattschwarzer Lambo Diablo – Preis etwa 250.000 Euro – stand am Donnerstag vor dem taz-Haus, standesgemäß im Halteverbot. Kriminell! Folgerichtig war hier dann von „Clans“ die Rede, als Beleg diente das Gerücht, der Fahrer sei „dahinten in dem Haus“ verschwunden.
Und nun, liebe LeserInnen, dürfen Sie raten, welches Haus von den beiden rechts und links von dem traumhaften, aber leider versperrten kleinen Park gemeint war.
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