Alfred Hempel: Ein Virtuose der Schlupflöcher

■ Die deutsche Firmengruppe Hempel GmbH & CoKG gehört zu den führenden Unternehmen im Nuklearen Schwarzmarkt / Trotz Drängen westlicher Geheimdienste läßt die Bundesregierung Hempel gewähren

Thomas Scheuer

Dem Feind fiel eine völlig niedergebrannte und verwüstete Stadt in die Hand.“ So beschreibt Wolfgang Paul in seinem Buch Der Endkampf um Deutschland 1945 den Fall der Garnisons- und Hafenstadt Kolberg an der Ostsee. Am 17.März 1945 waren die verteidigenden Wehrmachtsreste auf einen nur noch 1.800 Meter langen und 400 Meter breiten Sandstreifen am Ostsee-Ufer zusammengedrängt, bevor sie von Schiffen der Reichsmarine aufgenommen wurden. „Auch Leutnant Hempel, der bei der Einschiffung bis zuletzt am Feind geblieben war“, schreibt Paul, „ging an Bord, nachdem er mit wenigen Leuten einen Angriff des Gegners abgewiesen hatte.“ Im Ritterkreuzvorschlag für den schon vorher schwer verwundeten, einäugigen Offizier an das Heerespersonalamt sollte es später heißen: „Die Truppe ist niemals ohne Befehl zurückgegangen.“

Leutnant Hempels Kolberger Abgang sollte nicht sein letzter Auftritt im Osten gewesen sein. Nach der parlamentarischen Sommerpause wird sich der Atom-Untersuchungsausschuß des Bundestages mit den Nachkriegsaktivitäten des Ostritters zu befassen haben: Der heute 68jährige Düsseldorfer Kaufmann hat die exklusiven Ost-Kontakte seines weitgefächerten Firmenkonsortiums für nukleare Schwarzgeschäfte genutzt. Für Indiens Atombastler ließ er Schweres Wasser mal aus sowjetischen, mal aus norwegischen Quellen sprudeln. Unter Argentiniens und Südafrikas Atomikern sorgte er mit Spaltstoff chinesischen Ursprungs für bombige Stimmung immer unter Umgehung der internationalen Kontrollsysteme. Details über die weltweiten Atomschiebereien enthält ein britisches Geheimdienstpapier, das der taz vorliegt. Jetzt will der Bonner Atom-Ausschuß, nachträglich ins Programm gerückt, bei Hempels unters Sofa gucken! Er wird nicht nur aufzuklären haben, wie eine deutsche Firmengruppe die Ziele des Atomwaffensperrvertrages unterlaufen hat. Von größtem öffentlichen Interesse ist auch, wieso die Hempel-Truppe trotz Presseberichten, Anfragen ausländischer Behörden, ja sogar trotz ausdrücklicher Warnungen westlicher Geheimdienste bis heute völlig unbehelligt von deutschen Stellen operieren konnte. Der Ostpionier

Nach Jahren beim Hamburger Getreide-Multi Töpfer („Wer bei Töpfer war“, meint ein Zoll-Insider, „kennt sich aus im Ostgeschäft.“) machte sich der damalige „Industrieberater“ Mitte der sechziger Jahre auf eigene Rechnung zum zweiten Mal gen Osten auf. Er gründete die Rohstoff-Einfuhr- und Handelsgesellschaft Ost mbH, noch heute Kernstück seines Konsortiums. Die Geschäfte ließen sich prächtig an: Als eine der ersten Westfirmen unterhielten die Hempels (Ehefrau Renate mischt bei fast allen Beteiligun gen mit) eine eigene Vertretung im Moskauer Hotel „Metropol“, stiegen in den gerade aufkommenden Lizenzhandel ein und ergatterten von sowjetischen und ostdeutschen Staatsfirmen zahlreiche Alleinvertriebsrechte für Westeuropa. Die parallel mit den ständigen Erhöhungen des Aktienkapitals immer gediegener werdenden Briefköpfe zierten bald Zusätze wie „Alleinvertrieb für radioaktive und stabile Iso tope der V/K Techsnabexport, Moskau“ oder „Alleinimporteur der V/O Stankoimport“. Die „klassische Unternehmerpersönlichkeit“ (ein Geschäftspartner) knüpfte persönliche Kontakte zu Akademien und Forschungsinstituten.

Nur vorübergehend getrübt wurden Hempels exklusive Ost -Connections, nachdem er 1978 den Österreicher Franz Riha mit seinem Moskauer Büro betraut hatte: Dem warf der KGB bald Spionage für den Bundesnachrichtendienst vor. Riha wurde ausgewiesen.

Doch die Wolken verzogen sich rasch. Hempel erwarb das exklusive Vertriebsrecht für Urananreicherungs -Dienstleistungen der UdSSR in der BRD. Größter Kunde laut dem Handbuch „Wer mit Wem“: Der westdeutsche Stromgigant RWE, dessen Pressestelle keine Auskünfte über die Geschäftsbeziehungen zu Hempel rausrückt. Vermutlich arbeiten Hempel und die RWE seit Beginn der siebziger Jahre zusammen, als Nukem erstmals Uran bei Techsnabexport in der UdSSR anreichern ließ. Im Visier des britischen Geheimdienstes

Anfang der achtziger Jahre scheint der Gemischtwarenhändler Hempel in den atomaren Schwarzmarkt eingestiegen zu sein: Er verlängerte seine exklusiven Drähte in den Osten bis nach China und startete via Hongkong Atomgeschäfte mit Argentinien und Südafrika. Einblick in die brisanten Schiebereien gewährt ein britisches Geheimdienst-Dossier, das anfangs der achtziger Jahre verfaßt wurde, als wegen des Falkland -Konfliktes die Agenten ihrer Majestät Argentiniens Außenhandel besonders scharf beäugten. Gemäß diesem Report haben Hempel-Firmen Südafrika und Argentinien, beide Nicht -Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages (siehe Kasten) und notorische Atombomben-Aspiranten, außerhalb der internationalen Kontrollmechanismen mit Spaltmaterial aus chinesischen Quellen versorgt.

Im Februar 1981, so der Report, soll Hempel den Argentiniern Spaltstoff für alle Stufen ihres Brennstoffkreislaufes außerhalb des IAEA-Kontrollregimes angedient haben („unsafeguarded materials for all stages of the fuel cycle“). Die Finanzierung sollte über das Frankfurter Bankhaus Hauck und Sohn abgewickelt werden.

Um seine weltumspannenden Operationen von einem Stützpunkt aus bewerkstelligen zu können, der, so die britischen Geheimdienstler, „frei von Kontrollen“ wäre und „wo ihm keine peinlichen Fragen gestellt werden würden“, lancierte Hempel in Zürich die Firma „Orda AG“, die heute im steuergünstigen Kanton Zug residiert. Im Mai 1981 fragte Orda bei der luxemburgischen Luftfrachtgesellschaft Cargolux an, ob sie für die Internationale Spedition Transservice GmbH 45.000 Kilogramm Urankonzentrat von Hongkong nach Argentinien fliegen könnte. (Die Spedition Transservice, ein kleiner Düsseldorfer Familienbetrieb, der keine eigenen Fahrzeuge besitzt, sondern Cargo-Management betreibt, gehört ausnahmsweise nicht zum Firmenkomplex Hempels, scheint diesem aber besonders verbunden. Jedenfalls taucht die Firma oft in Verbin dung mit Hempels Transaktionen auf.) Nach Hongkong sollte das Material mit zwei normalen chinesischen Linienmaschinen aus Shanghai gelangen. Doch Cargolux mußte mit großem Bedauern von dem lukrativen Frachtauftrag zurücktreten: auf Geheiß des Luxemburger Außenministeriums. Dort waren Gesandte der US-Botschaft vorstellig geworden, die ihren dezenten Druck mit der Weigerung Argentiniens begründeten, eine Garantie abzugeben, daß das Material nicht für militärische Zwecke eingesetzt werde. Das Material wurde von den US-Gesandten als „unsafeguarded U235 and drums of heavy water“ bezeichnet. Den Transport soll dann Air France übernommen haben.

Im April 1982 soll der damalige Orda-Verkaufsagent in Argentinien, Achim Heynen, ein weiteres Geschäft über 14 Tonnen Schweres Wasser aus chinesischer Produktion abgewickelt oder zumindest angeleiert haben.

Nach Südafrika verschoben die Orda-Leute 60 Tonnen leicht angereichertes Uranhexafluorid (UF6), den Grundstoff zur Brennelementeherstellung. Das Rassistenregime in Südafrika bot damals auf dem weltweiten Schwarzmarkt Höchstpreise für UF6, da wegen eines US-Embargos für die beiden Koeburg -Reaktoren der Brennstoff knapp war. Die Finanzierung wurde über das Orda-Konto bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich abgewickelt. Dieser und womöglich weitere, bisher unbekannte Deals müssen sich gelohnt haben: In jenen beiden Jahren (1981/82) betrug der steuerpflichtige Reingewinn der damals frisch gegründeten Orda AG, so erfuhr die taz auf dem Steueramt in Zug, bei nur 100.000 Franken Aktienkapital immerhin fast 3.800.000 Franken. Schweres Wasser mit Flügeln

Eine Spezialität der Hempel-Männer ist der Verschub von Schwerem Wasser (siehe Kasten). Der Journalist Arild Aspoy enthüllte vor wenigen Monaten in der norwegischen Zeitung 'Verdens Gang‘ einen Transfer aus dem Jahre 1983.

Am 1.Dezember 1983 landete morgens um 8 Uhr, aus Ostende kommend, auf dem Flughafen Oslo eine Boing707 der in Liberia registrierten Fluggesellschaft West-African Airline (WAAL). Die Maschine flog unter Charter der Spedition Transservice. Drei Stunden später rollte die Maschine, inzwischen beladen mit 15 Tonnen Schwerem Wasser (D20), wieder auf die Startbahn. Kurz vor dem take-off gab der Pilot dem Tower eine unerwartete Flugplanänderung durch: Nicht Frankfurt, wie angemeldet, sondern Basel sei Zielflughafen. Von dort aus ging es, nach Zuladung von weiteren 6,6 Tonnen Fracht, am gleichen Tag weiter nach Dubai, von dort mit größter Wahrscheinlichkeit nach Indien. Ursprünglich wollten die Norweger die Ware von Scandinavian Airways fliegen lassen, doch Transservice bestand „aus Kostengründen“ auf der WAAL. Den Norwegern galt Hempel seit Jahren als seriöser Käufer kleinerer Mengen D20 (zwischen 1976 und 1986 soll er insgesamt 20 bis 25 Tonnen bezogen haben). Ihnen drängten sich keine Fragen auf, als aus Düsseldorf plötzlich die 15 -Tonnen-Order kam, zumal neben einer Endverbleibserklärung der Firma, wonach das Material für Forschungsreaktoren in der BRD bestimmt sei, auch ein amtliches Einfuhrzertifikat vorlag. Ohne letzteres, so beteuerten die Behörden in Oslo nach der Enthüllung Aspoys, hätten sie nie eine Exportgenehmigung erteilt.

Mit einem solchen Zertifikat, ausgestellt vom Bundesamt für Außenwirtschaft in Eschborn, wird der geplante Import einer Ware genehmigt. Der Inhaber ist verpflichtet, den Vollzug des beantragten Imports zu melden oder das Papier ungenutzt zurückzugeben - spätestens nach zwei Jahren. Natürlich traf in Eschborn nie eine Meldung aus Düsseldorf ein, der Stoff wurde ja nie in die BRD eingeführt. Natürlich kam erst recht nicht das ungenutzte Zertifikat zurück, Hempel hatte damit das Zeug bei den Norwegern ja tatsächlich lockergemacht. Also mahnten die Eschborner Im- und Export-Wächter in Düsseldorf die überfällige Meldung an - zwei Jahre später wohlgemerkt. Die Mahnung kam, wie ein Beamter der taz erläuterte, postwendend zurück - mit dem Vermerk „Unzustellbar, Empfänger unbekannt verzogen“. Tatsächlich war Hempels Hauptquartier zu jener Zeit umgezogen. Zwar hätte eine schlichte Anfrage im Handelsregister die neue Residenz problemlos in Erfahrung gebracht. Doch für den Sachbearbeiter war der Fall mit dem Postvermerk erledigt, der Akt wurde abgeheftet. Eine fast unglaubliche amtliche Laxheit, die allerdings nach dem unsäglichen Auftritt des Eschborner Amtschefs vor dem Bonner Atom-Ausschuß niemanden mehr erstaunen kann. Selbst wenn ein findiger Postbote Hempel geortet hätte, wäre dem bei der damaligen Rechtslage höchstens ein Bußgeld aufs Pult geflattert.

Die Hempel-Geschäftsführer bestreiten energisch, die Norweger „gelinkt“ zu haben, wie Oslos Außenamtssprecher Lasse Seim gegenüber der taz schimpfte. Tatsächlich hatte die Spedition Transservice drei Wochen vorher, am 9.November 1983, der Norsk Hydro in einem Telex, das der taz in Kopie vorliegt, mitgeteilt, der Flug Nummer ky660 werde „von Oslo nach Basel“ führen. Doch diese Änderung der Destination hätte der norwegischen Behörde, die die Exportgenehmigung ausgestellt hatte, gemeldet werden müssen. Außerdem: Was wurde am selben Tag auf dem Basler Flughafen zugeladen, bevor die Maschine nach Dubai weiterflog? Handelte es sich bei diesen 6,6 Tonnen ebenfalls um Schwerwasser, welches die Firma irgendwo gehortet hatte? Falls ja, wie kam das Material nach Basel? Wo ist das Schwerwasser geblieben, das Norsk Hydro zwischen 1977 und 1981 in kleinen Mengen (insgesamt rund neun Tonnen) auf Bestellung Hempels per Schiff nach Hamburg lieferte? Solche Fragen müßten für bundesdeutsche Fahndungsbehörden aufzuklären sein. Doch offenbar mangelt es an Interesse. Kaum hatte im Mai das norwegische Außenministerium das Verschwinden des Schweren Wassers verärgert bestätigt, da verkündete die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auch schon, für ein Ermittlungsverfahren sehe sie keinen Anlaß, deutsche Bestimmungen seien nicht tangiert; schließlich habe das Material nie deutschen Boden berührt. Der amerikanische Proliferations-Experte und Jura -Professor an der Universität Wisconsin, Gary Milhollin, sieht das anders: Nach dem Atomwaffensperrvertrag (siehe Kasten) sei jede Regierung für dessen Einhaltung bzw. Verletzung auch durch private Firmen ihres Landes voll verantwortlich.

Außenhandelsexperten des Zolls ist der Name Hempel sehr wohl ein Begriff. Doch dessen Mitarbeiter, so ein Zollmann zur taz, wickelten ihre Transaktionen äußerst raffiniert „immer nach dem gleichen Strickmuster“ unter Umgehung der BRD ab. Dieses Strickmuster wird an einem weiteren Schwerwasser-Deal deutlich, den der Bremer Fernseh- und Magazin-Journalist Egmont R. Koch schon im November 1986 in einer WDR-Reportage sowie in seinem jüngst erschienenen Buch Grenzenlose Geschäfte - Wirtschaftskriminalität in Europa (Verlag Knesebeck & Schuler) ausführlich dokumentierte.

Der Portionen-Trick

25.Juli 1985: Auf dem Flughafen Zürich-Kloten treffen mit einer Maschine der Aeroflot aus Moskau 53 Stahlbehälter ein. Inhalt: 6,8 Tonnen Schweres Wasser im Wert von rund acht Millionen Mark, aufgeteilt in mehrere Portionen, jede unter dem Ein-Tonnen-Limit. Absender: Techsnabexport Moskau. Empfänger: Forschungszentren in sieben verschiedenen EG -Ländern. Auftraggeber: Die Düsseldorfer Rohstoff-Einfuhr GmbH (siehe Faksimile). Doch im Zollfreilager des Flughafens werden die Frachtbriefe ausgetauscht. Neues Ziel der Ware: Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Per Lkw werden die Container zum Flughafen Basel gekarrt.

Zufällig bemerken Schweizer Zöllner den Etikettenschwindel und melden diese „merkwürdige“ Entdeckung nach Bern. Das eidgenössische Außenministerium setzt umgehend die UdSSR sowie die deutsche Botschaft in Bern ins Bild; letztere kabelt nach Bonn: „Schweiz sieht es als erwiesen an, daß hier mit falschen Karten gespielt wurde, und hat Ursprungsland (Sowjetunion) des Schwerwassers dies entsprechend deutlich gemacht.“ Bern befürchte, so das Fernschreiben, lediglich auf „die Spitze eines Eisbergs“ gestoßen zu sein. Doch das Berner Ersuchen um amtliche Auskünfte über die Rohstoff-Einfuhr-GmbH wird von Genschers Außenamt per Telex postwendend abgebügelt: „Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums enthält der berichtete Vorgang keinen nach dem deutschen Außenwirtschaftsrecht relevanten Sachverhalt, der ein Eingreifen der deutschen Behörden erfordert bzw. ermöglicht. Insbesondere wird es bei der derzeitigen Sachlage nicht möglich sein, die Firma Rohstoff-Einfuhr GmbH zu einer Erklärung über den Endverbleib des Schweren Wassers zu veranlassen.“ Hat man es überhaupt versucht? Oder hat der Postillon mal wieder Hempels Briefkasten nicht gefunden?

In Basel lehnt die Transmediteranean Airways (TMA) den Weitertransport ab. Bei ihr hatte - wieder mal - die Spedition Transservice die Charter für die 53 Container mit der Angabe gebucht, daß die „harmlosen Chemikalien“ in Sharjah im Transit seien und mit der Air India nach Bombay weiterfliegen würden. Nach einigem Hin und Her wird der Stoff in den ersten Augusttagen von der West-African Airline nach Dubai, ebenfalls in den Vereinigten Arabischen Emiraten, geflogen.

Nach Professor Milhollins Einschätzung haben erst Hempels Lieferungen Indien die Inbetriebnahme seiner drei nicht unter IAEA-Kontrolle stehenden Schwerwasser-Reaktoren in Madras (zwei) und Dhruva (eins) und damit eine Plutoniumproduktion von fast 200 Kilogramm pro Jahr ermöglicht. Der Rechtsgelehrte spricht dem gewieften Kaufmann Hempel ein originelles Patent zu: Er sei der erste, der in großem Maßstab Wasser (nämlich Schweres) „gewaschen“ habe.

Laut Paul Levanthal, Präsident des Nuclear Control Institute in Washington, sei Hempel während der nicht -öffentlichen Kongress-Beratungen über das Atomhandels -Abkommen China-USA im Jahre 1985 im Zusammenhang mit dem Handel unkontrollierten Schwerwassers aus China genannt worden. Über 100 Tonnen, so der allerdings noch nicht dokumentierte Vorwurf, seien verschoben worden - an Chinas Konkurrenten Indien!

„Es ist ein internationaler Gesetzesrahmen in Kraft, aber die nationalen Gesetze füllen ihn nicht gut aus“, so umreißt ein US-Beamter ein Manko des Sperrvertrages. In den Schlupflöchern fischt Hempel mit einem weitgeknüpften Firmennetz: Kernstück ist die Alfred Hempel GmbH & Co KG mit Sitz in der Düsseldorfer Cecilienallee 36 (gleich in der Nachbarschaft des schweizerischen Generalkonsulats), die eigene Niederlassungen in der UdSSR, China, USA, Argentinien, Holland und der Schweiz unterhält. Zum Firmenkonglomerat gehören die Rohstoff-Einfuhr-GmbH, die Fundus AG, die I.R.E. Diagnostic, die Isotron sowie die Orda AG und die Pomera AG im schweizerischen Kanton Zug. Unersprießlich verlief Hempels Ansinnen, im südlichen Afrika eigene Uranquellen anzubaggern: Seine 1978 gegründete „Futura Exploration“ erwarb zwar nahe der bekannten Rössing -Uranmine in Namibia die sogenannte „Stinkbank“, ein 126.000 Hektar großes Gelände, unter dem Uran vermutet wurde. Die Firma erlosch jedoch 1986 „wegen Vermögenslosigkeit“. Hempel immer vorneweg

Die „Hempel-Gruppe“, wie man sich im Düsseldorfer Hauptquartier am Telefon knapp zu melden pflegt, ist Mitglied im Bonner Wirtschaftsverband Kernbrennstoff -Kreislauf, und nach dessen Angaben auch in der Endlagerung schwachradioaktiver Abfälle im Ausland aktiv. Schon Ende der siebziger Jahre hatte Hempel, den Riecher mal wieder vorn, in Moskau über die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente sowie die Lagerung von Abfällen aus bundesdeutschen Atommeilern in der UdSSR verhandelt. Daraus wurde seinerzeit nichts: Franz Rihas Spionage-Intermezzo kam dazwischen. (Als jüngst der 'Spiegel‘ ein entsprechendes Angebot der UdSSR an die BRD meldete, wurde in der Atomgemeinde prompt gemunkelt, heutige oder ehemalige Hempel -Leute hätten mit an den Fäden gezogen.)

Erquicklicher ließen sich Jahre später zunächst Hempels diesbezügliche Sondierungen im fernen China an. Seit gut fünf Jahren kommt immer wieder mal die Aufarbeitung abgebrannter Brennelemente in der VR China und die Nutzung der Wüste Gobi als Friedhof für Atommüll ins Gespräch. Zwar folgen solchen Meldungen die Dementis aus Peking und Bonn stets auf dem Fuß, doch in den Kulissen wird weiterverhandelt. „Der Erfinder des China-Geschäfts ist ganz klar Herr Hempel“, stellt ein Gesprächspartner im Hause Nukem fest. Die Düsseldorfer lagen, wie schon in Moskau, auch in Peking wieder mal vorn, eröffneten im Hotel „Xiyuan“ ein eigenes Büro und gewannen 1984 die Hanauer zur gemeinsamen Gründung der „Inter-Nuclear Servicegesellschaft für internationale Entsorgung“. Nukem hielt 35 Prozent, Transnuklear zehn Prozent des Aktienkapitals. Doch die Verhandlungen mit den Chinesen, die anfangs ausschließlich über Inter-Nuclear liefen, zogen sich hin. Mittlerweile scheint das Inter-Nuclear-Gespann von der Siemens-Tochter KWU ausgebootet worden zu sein, die den Chinesen gerne Reaktoren verscherbeln würde und selbst direkte Verhandlungen aufnahm. Momentan liegt die Inter -Nuclear auf Eis. Möglicherweise wurde Hempel, vormals immerhin Verwaltungsratspräsident, sogar aus der Firma komplimentiert. Sie zog aus Hempels Düsseldorfer Zentrale nach Hanau um, wo ihr Geschäftsführer Christian Colhoun erklärt, Alfred Hempel habe sich aus der Inter-Nuclear zurückgezogen und seine Anteile an die Hamburger Beteiligungsgesellschaft Alstertor abgegeben. Die Auskunft eines Zuger Insiders, Hempel habe seinen Anteil lediglich bei „einer neutralen Stelle“ deponiert, wirft die Frage auf, ob nicht ein Strohmann seine Anteile hält. In Zug jedenfalls teilt sich die Inter-Nuclear in der Baarer Straße 57 nach wie vor mit Hempels Orda und Pomera das Briefkastenschildchen.

Im Herbst 1987 stopfte Bern übrigens jene Paragraphenlücke in der eidgenössischen Atomverordnung, durch die Hempels Schwerwasser gesickert war: Jetzt ist für solche Güter auch dann eine Exportgenehmigung nötig, wenn sie die Alpenrepublik nur im Transit passieren, sofern dabei „neue speditionstechnische Dispositionen getroffen werden.“ Keine Reaktion in Bonn

Indizien lassen vermuten, daß Hempels ihre Waschmaschine von der Schweiz nach Holland verlegt haben. Um die Jahreswende 1985/86 soll ein Schwerwasser-Transfer über den Amsterdamer Flughafen Schiphol abgewickelt worden sein. Auch in diesem Zusammenhang fällt der Name Transservice. Ins Bild paßt, daß Hempels kleines Handelsimperium an seinen äußersten Zipfeln seit einigen Jahren über Firmenbeteiligungen mit der belgisch-holländischen Atom-Connection verfranst ist. Er könne keine Details nennen, meint ein US-Beamter, aber Hempel habe 1985 „bestimmt nicht den Hut an den Nagel gehängt“.

US-Behörden übermittelten ihren Bonner Kollegen „seit den frühen achtziger Jahren mehrfach“, wie ein US-Beamter erklärt, Geheimdienst-Erkenntnisse über Hempels zweifelhafte Umtriebe in aller Welt. Auf die Bitte um Nachforschungen, so klagen Beamte dort, erhielten sie aus Bonn nie Antwort. „Obwohl sie viele Gründe hatte, argwöhnisch zu werden“, lamentiert ein hoher US-Offizieller, sei die westdeutsche Regierung nicht von ihrer Untätigkeit abzubringen gewesen. Auch in dem britischen Dossier heißt es, Hempel sei schon Anfang der achtziger Jahre ins Bonner Wirtschaftsministerium vorgeladen worden, habe aber jede Beteiligung seiner deutschen Firmen an fragwürdigen Transaktionen nach Südafrika oder Argentinien bestritten. Ihn auch nach der Rolle seiner Orda AG in der Schweiz zu befragen, so das Dossier, versäumten die Bonner allerdings.

Hempel selbst bestreitet vehement, jemals Gesetze oder völkerrechtliche Vereinbarungen gelöchert zu haben, und klagte kürzlich einem Geschäftspartner sein Leid: Über ihn falle man jetzt wegen ein paar Tonnen D2O her, wo doch die BRD den Argentiniern höchst offiziell gleich ganze Atomanlagen geliefert habe. Hempels Schwarzgeschäfte als logische Konsequenz bundesdeutscher Atomexport-Politik?

Er könne sich kaum vorstellen, meinte ein Zollfahnder zur taz, daß Hempel seine dunklen Geschäfte auf Dauer ohne Wissen höchster Stellen abwickeln konnte. Hier liegt wohl der Hase im Pfeffer! Warum stellen sich deutsche Behörden trotz einschlägiger Presseenthüllungen, amtlicher Nachfragen aus dem Ausland und Geheimdiensttips so beharrlich blind und taub? Spielen etwa Geheimdienstinteressen - man erinnere sich an Franz Riha - eine Rolle? Oder Alfred Hempels strategische Position im strahlenden Ost-West-Business? Der Geschäftspartner von RWE und Nukem kann kaum als kleine Randfigur im Atomgeschäft abgetan werden. Hinter vorgehaltener Hand gibt ein beamteter Gesprächspartner zu bedenken, daß Regierungen aus mancherlei Interesse bisweilen Firmen ganz nützlich schienen, die auf dem internationalen Markt verdeckt gewisse Dienstleistungen anbieten, die, kämen sie ans Licht, die offizielle Politik diskreditieren könnten. Gehört die Hempel-Gruppe auch dazu?