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Alfonsin - vom Paulus zum Saulus

■ Vom Musterknaben des IWF zum Bankenschreck

„Wir werden es dem IWF nicht gestatten, weiterhin den Versuch zu unternehmen, uns lächerliche Rezepte zu verpassen, die nichts mit den Bedürfnissen des Volkes zu tun haben.“ Der dies sprach, hatte sich in den letzten zwei Jahren als Musterknabe von IWf und Gläubigerbanken profiliert, und ohne dabei viel Rücksicht auf die „Bedürfnisse des Volkes“ zu nehmen: Raul Alfonsin, Argentiniens Staatspräsident. In Absprache mit den Gläubigern hatte er seinem Land seit Juni 1985 vier wirtschaftspolitische Schocktherapien verpaßt, die der argentinischen Bevölkerung allesamt Arbeitslosigkeit und Lohnsenkungen bescherten. Dann kam die Stunde der Wahrheit: bei den Parlamentswahlen am 6. September mußte Alfonsins Regierungspartei eine empfindliche Niederlage einstecken. Die Läuterung Alfonsins ließ daraufhin nicht mehr lange auf sich warten: ganze drei Tage später kündigte er an, eine internationale Abwehrkampagne gegen die Diktate des IWF und den unerträglichen Zinsendienst zu starten. Dabei ist die Verzweiflung Alfonsins durchaus glaubwürdig - nicht nur wegen der verlorenen Wählerstimmen. Trotz eines gigantischen Umschuldungsabkommens für 34 der insgesamt 54 Mrd. Dollar argentinischer Auslandsschulden, das erst Ende August endgültig unterzeichnet worden ist, klafft nämlich in der argentinischen Zahlungsbilanz ein Loch von drei Mrd. Dollar, und die Währungsreserven nähern sich einem „kritischen“ Tiefstand. Die Inflationsrate hat längst wieder die 100–Prozent–Marke übersprungen. Um den direkten Weg in den Staatsbankrott zu vermeiden, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Front zu machen gegen die Forderungen der Gläubiger oder eine neue Schocktherapie mit all ihren sozialen Härten. Nach der jüngsten Wahlschlappe gab es für Alfonsin da nicht mehr viel zu überlegen... GS

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