Alexander Gauland für die AfD: Der kluge Konservative
Der 73-jährige Jurist Alexander Gauland ist ein Glücksfall für die AfD: Er ist diskursfähig. Jahrzehnte war er bei der CDU, bis sie ihm zu übermächtig liberal wurde.
Vor drei Jahren sorgte Alexander Gauland für eine aufgeregte Brandenburger Sommerlochdebatte: Das Land sei, anders als Thüringen und Sachsen, vor 1989 nur „von ein paar Ackerbürgern, Kleinbauern und Landarbeitern“ bewohnt gewesen: eine „leere Fläche von Kiefern, Birken und Föhren“, so Gauland im Tagesspiegel. Brandenburg habe daher „keine bürgerliche Geschichte und also auch keine bürgerliche Tradition“ besessen.
Nach 1989 hätte das nur die SPD unter Stolpe und Platzeck erkannt und einen „sozialpaternalistischen Kurs“ eingeschlagen. Die CDU, so Gaulands implizite Schlussfolgerung, habe das „Lebensgefühl der Mark (Beharren, Skepsis und ein bisschen Wunderglauben)“ nicht verstanden. Aufgeregte Proteste folgten.
Am Wochenende hat die Brandenburger AfD Gauland zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst gewählt. Der 73-jährige Jurist ist ein Glücksfall für die Partei: ein kluger Konservativer, noch dazu diskursfähig – eine in Deutschland nicht allzu häufige Kombination.
„Er pflegt jene Melancholie in Dur, die seit jeher Grundton konservativer Intellektueller ist. Man hat das Gefühl, stets auf verlorenem Posten zu stehen, immer umringt von einem übermächtigen linksliberalen Mainstream“, schrieb Stefan Reinecke 2013 in der taz über ihn. Zum Schluss wurde Gauland auch die Merkel-Union zu übermächtig liberal: ein Versuch, mit dem „Berliner Kreis“ die Konservativen in der Union zu sammeln, scheiterte. Gauland ging nach 40 Jahren in der CDU zur AfD.
Gaulands Karriere begann vor 37 Jahren beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Bonn. 1977 wurde er dort Büroleiter des Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Wallmann (CDU), zog 1987 als Staatssekretär in die Staatskanzlei nach Wiesbaden um.
Die lauernde Frage
Nach der Wende, von 1991 bis 2005, war Gauland Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung in Potsdam – und schrieb auch für die taz, etwa kurz vor dem Ende von Rot-Grün 2005: Schröder hätte „auf die hinter allem lauernde Frage: Wie weit soll es denn noch nach unten gehen?, eine realistische Antwort finden müssen.
So muss jetzt die CDU den Versuch machen, den neu gewonnenen Arbeiter- und Arbeitslosenwählern eine Politik anzubieten, die glaubhaft das Ende des Abstiegs verheißt. Gelingt das nicht, schlägt die Stunde der Populisten“, schrieb er. Die letzte Umfrage sieht die AfD im Potsdamer Landtag.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten