Alemannias neuer Trainer: "Felix Magath für Arme"
Alemannia Aachen hat nun doch noch einen Trainer gefunden. Per Casting-Duell. Es ist Michael Krüger. Gleich Mittwochabend darf er sich bewähren: Im DFB-Pokal gegen Frankfurt.
Vielleicht hat es mit Gebärneid zu tun, mit dem ewigen Wunsch des Mannes, einmal eine Schwangerschaft zu fühlen. Fußball als Epizentrum männlicher Emotionen ist ein guter Ersatz. Und vielleicht dauerte es deshalb wenn nicht neun Monate so doch mehr als ewige zwei Wochen, bis man sich bei Zweitligist Alemannia Aachen mal zu einem neuen Übungsleiter durchringen konnte. Zur Trainerfindung hatte der stolze Traditionsverein zuletzt eine neue, die männlichste Form der Ausscheidung gesucht: das Duell um Mitternacht.
Zwei Kandidaten waren Montagabend zum Casting vorgeladen: Peter Vollmann, ehemals bei Drittligist Holstein Kiel, und Widersacher Michael Krüger. Beide durften bei Findungskommission und Aufsichtsrat ihre Konzepte vortragen, sich präsentieren. Um 0.43 Uhr eilmitteilte der Club, dass Krüger den Zweikampf überlebt hatte. Krüger, wer überhaupt? Mike Krüger?
Die beiden Kandidaten waren nach einem "14-tägigen Auswahlprozess" übrig geblieben aus 100 Bewerbungen und einem Konvolut der üblichen Verdächtigen wie Bommer, Hecking, Funkel, Slomka oder Fach.
Gestern Mittag stellte sich Michael Krüger vor, ein freundlicher Mann mit randloser Brille, fröhlichen braunen Augen, gewählten Worten und immer bereit für launige Wortgefechte. Er sei "von Haus aus sehr harmoniebedürftig", sagte er, könne aber auch "sehr eklig werden". In Braunschweig hieß er deshalb "Felix Magath für Arme". Ziel, so der studierte Sport- und Geografielehrer: klar, Bundesliga. Das will man in Aachen hören.
Das "ungewöhnliche Procedere" mit dem Castingduell nannte Krüger "eine Anhörung in An- und Abführung". Ob er sich speziell vorbereitet habe? "Ach, da gibt man sich ganz locker und glaubwürdig. Schauspielern bringt nichts." Anders offenbar Vollmann, der an der alemannische Art der Jobvergabe scheiterte. Ein Teilnehmer: "Wenn ein arbeitsloser Trainer, der plötzlich die Chance auf eine gut bezahlte Stelle hat, so ein schlechtes Bild abgibt, wenn er vor acht Leuten sitzt, wie soll der dann den Druck in der Liga aushalten?"
Der heute 55-jährige Krüger hatte Eintracht Braunschweig 2005 aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga gecoacht. Ansonsten war er in Liga 3 und 4 aktiv, dazu in Afrikas Sonne. Er arbeitete lange mit Ko-Trainer Willi Kronhardt zusammen, der praktischerweise schon im Sommer in Aachen angeheuert hatte und sein Team am Sonntag zu einem souveränen 2:0 gegen 1860 München interimsgecoacht hatte.
Schon die Entlassung von Krügers Vorgänger war voll der Mühen. Jürgen Seeberger hatte zwar eine gute Punkteausbeute, aber seine distanzierte und wenig hemdsärmelige Art, gepaart mit der Perfektion, mit vielen gesetzten Worten weniger als nichts zu sagen, kamen in gut anderthalb Jahren nie richtig an. Auch zum Team hatte er menschlich keinen Draht, war stets misstrauisch, aus Unsicherheit unnahbar und von Kontrollwut beseelt. Als er einmal ungeladen bei einer Diskoparty der Spieler auftauchte, lief das Fass über. Das Team fühlte sich gegängelt und suchte das Gespräch mit der Clubführung. Seeberger wurde (nach dem ersten Saisonsieg!) gegangen, der Boulevard sprach von Spielerrevolte. Zumindest war es Mobbing von unten. Jetzt glaubt Seeberger an eine Verschwörung mit einem Drahtzieher Kronhardt, der seinen Spezi Krüger nach Aachen lotsen wollte.
Michael Krüger ist ein großer Pokalspezialist. Dreimal gewann er den Pott, mit all seinen Teams in Afrika: in Ägypten mit El Masri, dazu sogar den afrikanischen Pokal der Pokalsieger und dann im Sudan mit al-Merrikh. Zudem habe er, fügte Krüger gestern lächelnd hinzu, Braunschweig und Wolfsburg II zu Triumphen über Hertha und zweimal Borussia Dortmund gecoacht.
Sein erstes Match: heute Abend im DFB-Pokal bei Eintracht Frankfurt. Ein Omen? Krüger lächelt: "Tja, mal sehen." Der Erstligist sei dringlich vor Aachens schelmischem Scheinmagath gewarnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich