Album und Tour von The Bevis Frond: Psychedelik als Brotberuf

Die Gitarre singt nicht mehr ewig: Nick Saloman und sein britisches Bandprojekt Bevis Frond kommen noch mal auf Tour.

Nick Saloman im Kreise seiner dreiköpfigen Band. Das Foto sieht aus wie ein Rembrandtgemälde

Bisschen Rembrandt ist auch dabei: Nick Saloman, ganz rechts, im Kreise seiner Lieben Foto: Fire Records

Wo trifft Gitarrenhexer Jimi Hendrix auf die New Yorker Noise-Rock-Ikonen Sonic Youth und zudem auf Fairport Convention mit ihrem Folk-Rock britischer Prägung? Es braucht schon ein wenig Fantasie, um sich eine Schnittmenge vorzustellen.

Doch man kann sich helfen lassen: von Nick Saloman alias The Bevis Frond – der diese Einflüsse (und etliche mehr: von Hawkwind über Cream bis Spacemen 3) immer wieder zu einem runden Ganzen amalgamiert. Und dabei nicht die Bohne epigonal klingt, sondern stets eigenwillig und zugleich vertraut.

Dass aus Salomans Liebe zum psychedelischen Rock doch noch ein Brotberuf wurde, ist einem schönen Zufall zu verdanken. Dem allerdings ein schwerer Unfall vorausging, der fast das Ende seiner musikalischen Ambitionen bedeutete.

Neuer Mensch dank Schmerzensgeld

Nachdem er 1983 mit seinem Motorrad in eine unbeleuchtete Baugrube gerauscht war, konnte Saloman nicht mal mehr seine Gitarre halten. Erst als er endlich Schmerzensgeld erstritten hatte, ging das wieder. Er nutzte das Geld, sich einen Lebens­traum zu erfüllen: Sein Albumdebüt „Miasma“ erschien 1987. Da war er bereits Mitte 30.

Album: The Bevis Frond: „Focus On Nature“ (Fire/Cargo)

Tour: 20. 4., Piano Bar, Dortmund, 22. 4. Logo, Hamburg, 23. 4. Quasimodo, Berlin, 24. 4. Nachtleben, Frankfurt, 25. 4. Hirsch, Nürnberg, 26. 4. Backstage, München

Saloman hatte das Album im Alleingang zu Hause eingespielt. An Songs mangelte es nicht, die hatte er schließlich sein Leben lang komponiert. Seit Ende der 1960er Jahre spielte er zudem in Bands, wenn auch eher erfolglos.

Seine erste, gegründet zu Schulzeiten, hieß ebenfalls The Bevis Frond – damals noch mit dem Zusatz „Museum“. Doch kein Label wollte den Londoner unter Vertrag nehmen – was im Kontext der pophistorisch so produktiven Siebzigerjahre seltsam anmutet. Irgendwie traf die zeitlose Musik dieses Querkopfs offenbar nie den Zeitgeist.

In Margate von den Socken

„Miasma“ verteilte Saloman seinerzeit im Freundeskreis, die restlichen 200 Exemplare landeten auf dem Dachboden. Ein Kumpel spielte das Album einem Plattenhändler im Küstenort Margate vor. Der war so von den Socken, dass er den Bestand aufkaufte – und fortan die Werbetrommel rührte. Und Saloman wurde immer öfter gefragt, wann denn endlich ein Nachfolgealbum erscheine.

Bald konnte er es sich leisten, mit Musikern ins Studio zu gehen. Der Lo-Fi-Appeal seiner Mischung aus Progrock, kreischenden Gitarren und herzerwärmenden Melodien blieb dennoch erhalten. Der Multiinstrumentalist mit dem waidwund-eleganten Timbre – bisweilen erinnert seine Stimme an Elvis Costello – brachte zwischen 1987 und 2004 jedes Jahr ein Album heraus, unter anderem den großen Wurf „New River Head“ (2003).

Es hat etwas Tröstliches, wie Nick Saloman als The Bevis Frond beharrlich sein Ding macht, während in der hypehungrigen Heimatstadt so manche Gitarrenrock-Sau durchs Dorf getrieben wurde. Von London ließ er sich dennoch immer wieder anregen, etwa zum Doppelalbum „North Circular Road“ – inspiriert von der Umgehungsstraße, die seinen Nordlondoner Stadtteil Walthamstow streift.

Hierzulande unterm Radar

Seit 2011, nach mehrjähriger Pause, beglückt der mittlerweile 71-Jährige seine loyale Fanbasis immer wieder mit neuer Musik, wenn auch nicht so unermüdlich wie früher. Obwohl er es bisweilen krachen lässt, strahlt seine Musik stille Vergnügtheit aus. Auf der Insel hat er sich damit Legendenstatus erspielt, auf dem europäischen Festland segelt er immer noch unter dem Radar. Obwohl auf allen seiner 26 Alben Highlights zu finden sind. Den Großteil hat er auf seinem eigenen Label Woronzow veröffentlicht, erst seit 2018 ist er bei dem Indielabel Fire Records.

„Es ist ganz einfach“, erzählte Saloman unlängst in einem Interview. „Ich spiele jeden Tag Gitarre und denke mir dabei immer neue Melodien aus. Wenn mir etwas Gutes einfällt, versuche ich, so dazu zu texten, dass die Worte zu den Hooks passen.“ Geschmack und Herangehensweise haben sich über die Jahrzehnte kaum verändert.

Doch nun, mit über 70, würde es doch „idiotisch wirken, wenn ich so täte, als sei ich 33“. Das schlägt sich vor allem in den Songtexten nieder. Sein aktuelles Album „Focus on Nature“ hat den Klimawandel als lose Klammer. Auf dem Vorgänger „Little Eden“ arbeitete er sich am Brexit ab. Später dieses Jahr soll dann übrigens auch ein Dokumentarfilmporträt über The Bevis Frond erscheinen; es trägt ebenfalls den Titel „Little Eden“.

In Rente will Nick Saloman noch nicht gehen. Aber eben nicht mehr auf ausgedehnte Konzertreisen ins Ausland. Weswegen die anstehende Tour durch Deutschland zumindest ein Abschied von hiesigen Bühnen ist.

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