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Albert HefeleHerr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Gerade im bösen Fieberwahn muß man den rattenhaften Beckmann zappen

So eine Grippe hat schon was – finden Sie nicht? Diese Gleichzeitigkeit von bleierner Trägheit und federleichtem Kribbeln in den Gliedern. Diese sanfte Last auf den Lidern, auf Armen und Beinen, die nur lahme, zart zaudernde Bewegungen gestattet. Man muß sich schließlich schonen, während man dem fein durchs Gemüt wehenden Gesange lauscht: „Ach, ich Armer!“ Das trifft es – finden Sie nicht?

Eigentlich ist es gar nicht so schlimm und daher um so praktischer: Als Inhaber einer anerkannten Krankheit darf man hilflos und pflegebedürftig in seinem Rattanbett dämmern, ohne über die Maßen schlimm leiden zu müssen. Der Virus, der umtriebige Geselle, kann nicht aktiv bekämpft werden, sondern muß stumm ertragen und reglos erduldet werden. Die Arbeit machen die weißen Blutkörperchen, selbst kann man nur liegen, Grog trinken, Süppchen schlürfen, etwas Verdauliches lesen oder müde die Fernbedienung betappern. Das geht so grade noch.

Was es gibt? Beckmann, zum Beispiel. Gestern. Eigentlich dauernd. Was tut der da? Ist das noch die Guinness-Show? Nö, schon wieder was Neues. Seit er bei den Öffentlich-Rechtlichen ist, muß er springen, alles was recht ist. Er ist unrasiert und grinst schief. Er will locker und amüsiert sein und ist es nicht. Er tut so, als ober sich für das, was seine Gäste sagen, interessieren würde, und dem ist nicht so. Er steht nämlich unter Druck, und keiner darf es merken.

Das macht ihn flach und gehetzt und irgendwie rattenhaft. Es bringt seine nicht so schönen Seiten zum Vorschein und läßt ihn unsympathisch wirken. Die Stimmung ist nicht gut, man steht unter Strom. Das kann ich momentan nicht haben, bin schließlich krank.

Also Fernbedienung; der an dieser Stelle mal ein kurzes Lob gesungen sei. Was täten wir Siechen, Alleingelassenen und auf Hilfe angewiesenen, ohne die Fernbedienung? Von der Welt wären wir abgeschnitten, und es bliebe uns nichts, als kraftlos und vergeblich nach dem TV-Kasten zu winken. Mit der pergamentgelben Krallenhand. Die Zeiten sind gottlob vorbei, und auch im dumpfesten Fiebersumms können wir noch am prallen Leben teilhaben. Zum Beispiel nach Damen äugen, die im kurzen Rock auf die Bälle hauen. Unter sengender Sonne, Schweißtropfen von der braunen Haut wischend. Kurz wähnt man sich im Fieberwahn: Schweißtropfen auf brauner Haut, mitten im Winter? Es ist aber nur die große Welt; auf der einen Seite warm und sonnenschirmbestückt, auf der anderen Seite kalt und virenwimmelnd und die Menschen ins Rattanbett zwingend...

Noch mal zurück zu den kurzen Röcken: Ist die Kournikowa eigentlich noch Thema? Mein Gott, was war das für ein Auflauf auf Wimbledons Wiesen, 1997! Ein langer Zopf, ein kurzer Rock, fertig war die Sensation. Und sagte alles aus über den damaligen Stand des Frauentennis. Heute: Man wirft schon einen Blick – da war doch was. Aber – auch andere Damen tragen kurze Röcke, das Thema ist durch. Demoiselle K. wird dennoch ihrem Schöpfer danken. Trotz nicht gerade aufregender sportlicher Qualitäten war sie für einige Zeit in den Mittelpunkt des Medien- und damit Werbe-Interesses gerückt und konnte so doch den einen oder anderen Rubel auf die hohe Kante legen.

Kurze Röcke tragen übrigens auch die Eiskunstläuferinnen. Irgendwie dürfen die das aber schon lange, und kein Mensch macht ein Gewes' darum. Überhaupt muß man sich fragen, wen dieses Gekurve noch hinter dem Ofen hervorlockt. Die Meisterschaften scheinen im Dutzend stattzufinden und nehmen kein Ende. Flips und Flops und Axel.

Quasiforsches Getänzel in albernen Kostümchen. Irgendwie kommt mir das vor wie der ewige Kinderfasching. Wabernd vor Eitelkeit und Beleidigtsein und „meiner kann das aber besser“. Ist doch wahr! Ansonsten elend langweilig. Das ideale Rahmenprogramm einer Verkaufsveranstaltung für Seniorenschlupfsäcke beziehungsweise die ideale Einschlafhilfe für schlaffe Virenwirte im Rattanbett.

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