Al-Qaida-Anschlag in Djerba: Justiz prüft Duisburger Terrorspur
Ab Montag wird den mutmaßlichen Attentätern des Al-Qaida-Anschlags im tunesischen Djerba 2002 der Prozess gemacht. Einer der drei Angeklagten ist Deutscher.
PARIS ap/afp Es ist der 11. April 2002, 9.35 Uhr. "Wir waren in der Synagoge, auf einmal fing alles an zu knallen", erinnert sich eine Augenzeugin. "Die Tür fiel zu, das Feuer brach aus, man hörte nur noch Schreie." Der Tunesier Nisar Nawar war mit einem Lastwagen mit 5.000 Litern Flüssiggas in die Al-Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Djerba gerast. Der Explosion fielen 21 Menschen zum Opfer: 14 deutsche und zwei französische Touristen sowie fünf Tunesier.
Fast sieben Jahre später wird den mutmaßlichen Hintermännern des Anschlags, zu dem sich al-Qaida bekannte, ab Montag in Paris der Prozess gemacht. Drei Angeklagte sind wegen Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt, ihnen drohen lebenslange Haftstrafen.
Als Auftraggeber und Planer gilt der Pakistaner Khalid Sheikh Mohammed, der als mutmaßlicher Kopf der Anschläge vom 11. September 2001 von den USA auf Guantánamo festgehalten wird und dem daher in Abwesenheit der Prozess gemacht wird. Verantworten muss sich auch der Bruder des Selbstmordattentäters, Walid Nawar. Mit Spannung wird der Auftritt des Deutschen Christian Ganczarski erwartet. Laut französischen Ermittlern erteilte er dem Attentäter die letzte Zustimmung für den Anschlag.
Damit wird im Prozess mehr zur Sprache kommen als der Djerba-Anschlag. Ganczarski war nach Pariser Darstellung eine Schlüsselfigur von al-Qaida, die sich um die Internetaktivitäten des Terrornetzes kümmerte und mit Kurierdiensten zwischen Bin Laden und Sheikh Mohammed betraut war. Sollte sich dies bestätigen, wäre es ein herber Schlag für die deutschen Terrorfahnder, die Ganczarski unmittelbar nach dem Anschlag laufen ließen.
Ganczarski war in der deutschen Islamisten-Szene eine schillernde Figur. Er kam mit neun Jahren als Spätaussiedler von Polen nach Mülheim. Die Hauptschule brach er ab. Ein tunesischer Kollege brachte ihn mit dem Koran in Kontakt. Er trat zum Islam über, besuchte Saudi-Arabien und ab 1999 mehrmals Afghanistan. Französische Ermittler verfügen über ein Video, das ihn mit Bin Laden zeigt.
Der deutsche Verfassungsschutz ließ Ganczarskis Telefon abhören. So fingen die Fahnder am Morgen des 11. April 2002 einen Anruf aus Djerba ab. Darin soll Nawar um den "Segen" für den Terroranschlag gebeten haben. Die Antwort: "So Gott will."
Ein Haftbefehl wurde danach vom Bundesgerichtshof allerdings abgelehnt. Eine Verhaftung wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung war aufgrund der damaligen Gesetzeslage nicht möglich. Im November 2002 zog Ganczarski mit seiner Familie nach Saudi-Arabien. Im Mai 2003 wiesen ihn die dortigen Sicherheitskräfte nach Paris aus. Dort wurde er am 3. Juni 2003 am Flughafen festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Er weist alle Anschuldigungen zurück.
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