Akustik-Pop: Die Nordlichter
Das Hamburger Duo Clickclickdecker erzählt unaufgeregte Geschichten zwischen nordischer Klarheit und kryptischer Poesie. Nun gehen Kevin Hamann und Oliver Stangl mit ihrer neuen Platte auf Tour
HAMBURG taz | Mit einem freundlichen, aber verhaltenem Lächeln setzt sich Kevin Hamann an den Tisch in einem schwedischen Café in Hamburg. Der Vollbart, den er auf den Fotos im Booklet seines neuen Albums trägt, ist wieder weg. Nur der Schnurrbart steht noch. Die Produktionsphase des Albums ist vorbei, nun geht Hamann damit auf Tour.
Kevin Hamann ist der Mann hinter Clickclickdecker. Wenigstens war das mal so. Das einstige Solo-Projekt mit Songs aus dem Heimstudio ist gewachsen. Die aktuelle Platte heißt „Ich glaub Dir gar nichts und irgendwie doch alles“ und ist das Werk des Duos Kevin Hamann und Oliver Stangl. Es klingt anders als die alten Click-Alben: Viele analoge Instrumente machen es folkiger, aufgeräumter und auch ruhiger als seine Vorgänger.
Anders als viele ihrer deutschen Kollegen schaffen es Clickclickdecker, weder kitschig noch moralisierend zu wirken, wenn sie über Liebe und Resignation singen. Das liegt wohl weniger an der Musik, als an den Texten. Die sind oft kryptisch und absurd. Aber manchmal eben auch klar und deutlich. Denn „kein Satz wird dadurch besser / dass du ihn ständig nur wiederholst“.
Clickclickdecker sind aktuell auf Norddeutschland-Tournee.
Die nächsten Konzerte spielen sie am 19. 2. im Lux in Hannover, am 26. 2. im Übel und Gefährlich, Hamburg und am 27. 2. im Kieler Hansa 48;
In Flensburg sind sie am 28. 2. im Volksbad, am 1.3. im Tower in Bremen zu Gast.
Kevin Hamann redet unheimlich schnell, in kurzen Sätzen, scheinbar ohne Luft zu holen. Als müsse er sich beeilen, alle Gedanken auch wirklich loszuwerden, bevor sie von neuen verschluckt werden. Bruchstücke, Sprünge, ein bisschen wie in seinen Texten: „Die Arme geöffnet, den Eingang weit versperrt, sicher keine Absicht.“
Die Melodien sind allerdings nicht so. Kein Spur von Atonalität, keine Brüche. Ein Arrangement aus Gitarre, sanften Stimmen und vielen kleinen klangliche Überraschungen. Kevin Hamann kann keine Noten lesen. Alle Instrumente spielt der Künstler selber ein. Gelernt hat er keines davon.
Chaos im Kopf
Der Wahl-Hamburger hasst Proben und ist ein Freund von „first takes“. Warten mag er nicht, Rumfeilen auch nicht. Er hakt gerne ab: „Was weg ist, ist weg und brummt nicht mehr.“
Der Autodidakt mag es, wenn die Dinge unter seiner Regie ablaufen. Lieder, Grafik, Merchandise, Booking – alles geht über seinen Tisch. Sein Ex-Bandkollege und Chef des Hamburger Audiolith-Labels Lars Lewerenz behauptet allerdings, Hamann habe Chaos im Kopf. Dabei wirkt der Musiker eigentlich völlig aufgeräumt: Der Hemdkragen lugt sauber unter dem eigenwilligen Pulli hervor, die Arme sind auf den Tisch verschränkt, auf jede gestellte Frage folgt zügig eine Antwort. Auch im Film „Emmelsbüll und die letzten 12“, den Sophie Krische zum Album gedreht hat, erlebt man Hamann gelassen und hochkonzentriert.
Trotzdem stimmt der Künstler der Aussage, er habe Chaos im Kopf, zu. „Ich brauche ganz klare Strukturen, um mit meinem Chaos zurechtzukommen.“ Da scheint es zu helfen, dass Hamann sich auch in einigen anderen Projekten musikalisch ausleben kann. Zum Beispiel mit dem Elektropunk-Duo Bratze.
Laut wird es bei Clickclickdecker nie. „Ich glaub Dir gar nichts und irgendwie doch alles“ ist deshalb aber noch lange keine unauffällige Platte. Sie hat Ecken und Kanten, so wie Hamann. „Ich würde dir ab und zu aufs Maul hauen / schlecht gelaunt und abgebrannt“, singt er in einem Song. „Es ist ja nie so gewesen / dass ich dich nicht mag“, im anderen.
Desillusioniert und ehrlich erzählt er Geschichten in Teilsätzen. Was sie im Endeffekt bedeuten, das überlässt er gerne jedem selbst. Auch darin unterscheidet sich Hamann von seinen deutschen Pop-Kollegen. Während Max Herre predigt und sich die Songs von Kettcar grundsätzlich reimen, freut sich Hamann, wenn seine Texte anders interpretiert werden, als er sie gemeint hat.
Einige der Click-Texte machen wirklich erst beim wiederholten Male Hinhören Sinn. Andere vielleicht nie. Aber manchmal fallen auch Sätze mit Grußkartenqualität: „Wenn man immer nur zurückschaut / ist irgendwann nichts mehr da.“
Biografisch gesehen ist Kevin Hamann ein Nordlicht. Geboren 1980 in Hohenschönhausen, ging es über Husum nach Kiel, dann nach Flensburg und schließlich nach Hamburg. Köln, München oder Berlin-Mitte haben ihn nie interessiert. Fragen beantwortet er höflich und distanziert. Die Single-Auskopplung aus dem Album erzählt von einem Tag im Tierpark Neumünster.
Mit Leidenschaft spricht er von seiner Arbeit mit seinem Freund Stangl, von Wind und Meer und von den Aufnahmen im Nordfriesischen Watt’n Sound-Studio. Der Deich, der Sturm, das Wasser, die spielen eine große Rolle in den Texten und den Melodien der Songs. Auf den Fotos aus der Studiozeit sehen Hamann und Stangl aus wie zwei friesische Seebären in Mütze und Strickpulli. Auch diese Bilder stammen von Sophie Krische. In Schwarz-Weiß natürlich und mit harten Kontrasten in norddeutscher Landschaft.
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