Aktivisten-Erfolg in Hamburg: Gängeviertel ist vorerst gerettet
Kulturschaffende feiern den Rückkauf des historischen Quartiers durch den Hamburger Senat als Etappensieg. Sie hoffen jetzt auf Kreativität statt teurer Büros.
Am Abend der Verkündung sitzt der Intendant des Thalia-Theaters, Joachim Lux, in einem der maroden Häuser des Hamburger Gängeviertels und spricht von einer Vorweihnachtsfeier. Eine "Wiedergeburt" habe man zu feiern und glücklich sei man, dass das Thalia-Theater ausgerechnet an jenem Abend ins Gängeviertel gekommen sei, an dem diese amtlich wurde.
Ein paar Stunden zuvor hatte der Hamburger Senat am Dienstag bestätigt, dass er den Kaufvertrag mit dem niederländischen Investor Hanzevast über das Gängeviertel rückabwickeln werde, wie sich bereits vor gut fünf Wochen abgezeichnet hatte. Hamburg zahlt dem Investor dafür 2,8 Millionen Euro plus jene geheime Summe, die Hanzevast der Stadt bereits als Kaufpreis überwiesen hat. Mit dem Rückkauf des Gängeviertels hat Hamburg wieder die volle Entscheidungsgewalt, was aus den engen Höfen und Gassen im Herzen der Stadt werden soll.
Der Vorgang ist ein Sieg vor allem der Künstler, die am 22. August die ehemaligen Arbeiterhäuser des Gängeviertels besetzt und damit eine stadtweite Debatte über die Zukunft des Quartiers und Raumnot für Kulturschaffende in Hamburg entfacht hatten. Die Künstler wollten verhindern, dass der niederländische Investor im Gängeviertel Büro- und Wohngebäude mit hohen Mieten errichtet.
Es entwickelte sich eine Welle der Solidarität. Tausende Bürger kamen zu den Veranstaltungen der Künstler, Denkmalpfleger, Architekten, und selbst der Bürgermeister bekundete Sympathien für den Protest, der die schon länger in der Hansestadt schwelende Diskussion um die gezielte Aufwertung von Stadtteilen befeuerte.
Seit Ende Oktober Prominente der Kulturszene mit einem Manifest neoliberale Stadtplanungspolitik geißelten, ist das Thema der Gentrifizierung endgültig in aller Munde. Der Etappensieg im Gängeviertel, glauben die Künstler, wird diese Bewegung, die sich zum Netzwerk "Recht-auf-Stadt" zusammengeschlossen hat, weiter stärken.
Die Gängeviertel-Künstler sind sich im Klaren darüber, dass der Rückkauf zwar ein wichtiger Schritt war, das Ziel aber längst nicht erreicht ist. "Jetzt kommen die Verhandlungen mit der Stadt", sagt eine Künstlerin. Von der weiß man, dass sie zum Ziel hat, "das Gängeviertel zu einem lebendigen, kreativen innerstädtischen Quartier weiterzuentwickeln", wie die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck sagt. Die grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk sagt: "Unter Berücksichtigung der Kriterien Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Künstlernutzung und Wirtschaftlichkeit wollen wir eine tragfähige Lösung finden."
Den Punkt der Wirtschaftlichkeit werden die Künstler der Gängeviertel-Initiative sicher nicht gern gehört haben. "Der Grund und Boden des Gängeviertels soll grundsätzlich aus dem monetären Verwertungsdruck herausgenommen werden", fordern die Künstler in ihrem Nutzungskonzept. "Selbst verwaltet und selbst organisiert", sagt Christiane Ebeling, Sprecherin der Initiative, wolle man das Areal dann mit bezahlbaren Wohn- und Arbeitsräumen und einem soziokulturellen Zentrum aufbauen. "Wir sind dabei aber auf Geldgeber angewiesen", sagt Ebeling, "in welcher Form auch immer." Wenns die Stadt nicht zahlen will, heißt das im Klartext, käme wohl auch ein Kulturmäzen in Betracht.
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