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Aktivismus und Karriere im KulturbetriebDas haben sie doch immer so gemacht

Das Politische ist entscheidend, hieß es anfangs. Aber am Ende profilieren sich Ku­ra­to­r*in­nen und andere auf Kosten der Beitragenden.

Szenische Lesung: name economy as usual Foto: dpa

I m Kulturbetrieb verschwimmen Job und Aktivismus, Ehrenamt und Karriere: Im Theater gibt es eine starke Suche nach dem Politischen. Viele Vereine und Kulturinstitutionen schmücken sich mit verschiedenen Arten von politischen Veranstaltungen – Ak­ti­vis­t*in­nen oder politisch engagierte Künst­le­r*in­nen werden nicht nur für Podien und Vorträge eingeladen, sondern spielen, lesen und performen oft für den guten Zweck.

Das ist oft ein gutes Tool, um Spenden zu sammeln oder medial auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Und in politischen Zusammenhängen, in Subkultur und DIY-Kultur ist es meist problemfrei: weil niemand profitiert außer der Sache. Sobald aber Geld fließt, wird es schräg. Eine Schwarze Organisation lädt mich zu einer Lesung ein und zahlt weit unter meinem Satz. Sie haben ja immer so wenig Geld und schließlich ist es ja Community. Ich weiß noch, wie sie ganz klein begonnen haben, und ich komme gar nicht auf die Idee, zu verhandeln. Später erfahre ich, dass die Veranstaltung Teil eines sehr gut finanzierten Festivals war und andere Au­to­r*in­nen wesentlich besser bezahlt wurden.

Im politischen Kulturbetrieb, bei migrantischen Selbstorganisationen oder im professionellen Aktivismus – bei den Guten eben – läuft eine Sache nicht so gut: Organisationen werden solidarisch aufgebaut, durch Beiträge, die Künst­le­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen und andere Engagierte in ihrer Freizeit leisten. Wenn diese Einrichtungen dann finanziell erfolgreich sind, bezahlen sie nicht diejenigen, die sie groß gemacht haben, sondern fragen die alten Weg­be­glei­te­r*in­nen weiter für ihre solidarischen Beiträge an, um ihr Geld lieber für Gäste auszugeben, die sie damals, für lau, niemals bekommen hätten.

Man kann jetzt teuer einen internationalen Star einfliegen lassen – und die alten Freun­d*in­nen machen ihre Auftritte oder Rahmenprogramm und Kinderbetreuung doch bestimmt unbezahlt. Das haben sie doch immer so gemacht. Häufig profitieren am Ende einzelne von dem, was gemeinschaftlich aufgebaut wurde. Ich komme immer gern zu bestimmten Anlässen oder Organisationen. Ich finde es bereichernd, mit meiner Arbeit etwas Gutes tun zu können. Am Anfang meines Berufslebens konnte ich die Unterschiede jedoch oft nicht erkennen. Wenn ich in einem autonomen Zentrum auftrete, in dem niemand etwas verdient, komme ich nicht auf die Idee, für eine Lesung oder einen Vortrag Geld zu nehmen.

Genauso kam ich nicht auf die Idee, wenn mich ein gut finanziertes Theater, ein Museum oder Berufsverband angefragt hat. Und das, obwohl diejenigen, die mich einladen, sprich Ku­ra­to­r*in­nen und Dramaturg*innen, fest angestellt sind und sich mit den Veranstaltungen, an denen andere aus politischer Überzeugung teilnehmen, profilieren. Ich falle auf so etwas nicht mehr so leicht herein. Leider habe ich viel Idealismus und Vertrauen verloren.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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