Aktistivisten und Wirtschaft: US-Bündnis gegen Geheimdienste

Aktuell gilt Amerika als eher lax, was den Abhörschutz anbetrifft. Eine Initiative aus Industrie und Bürgerrechtlern will nun ein verstaubtes Gesetz von 1986 reformieren.

Kamera in Großbritannien. Bild: Michael Gallacher – Lizenz: CC-BY-SA

"Digital Due Process" (DDP) ist auf den ersten Blick ein recht merkwürdiger Zusammenschluss: Eigentlich natürliche Feinde - Vertreter der Internet- und Telekommunikationsgroßindustrie sowie renommierte Bürgerrechtsorganisationen - haben sich zusammengetan, um den als leidlich angestaubt geltenden Privatsphärenschutz in den USA zu reformieren, der die Nutzer vor Eingriffen durch staatliche Stellen schützt.

Was Google und AT&T, die American Civil Liberties Union und die Electronic Frontier Foundation eint, hört auf den Namen Electronic Communications Privacy Act (ECPA) - und dieses Gesetzeswerk zum bundesweiten Schutz der elektronischen Kommunikation in Amerika wurde bereits im Jahr 1986 verabschiedet, als nur Spezialisten davon träumten, dass sich in weniger als 20 Jahren ein weltumspannendes Datennetz für die gesamte Menschheit etablieren würde.

Die DDP-Initiative will den ECPA nun reformieren und dabei dem US-Gesetzgeber verdeutlichen, dass das im Zusammenschluss zwischen Industrie- und Nutzerinteressen gehen kann. So ist zumindest der Plan.

Richard Salgado, Justiziar bei Google, fast das Anliegen in vier Punkten zusammen. So müssten Daten, die online gespeichert sind, künftig besser geschützt sein - das betrifft etwa auf Servern von Dritten gelagerte Nachrichten bei Webmail-Diensten, auf die die US-Behörden derzeit teilweise ohne Durchsuchungsbeschluss zugreifen. Ebenfalls problematisch sei der Schutz von Ortsdaten - auch hier, etwa bei der Handy-Positionsbestimmung, müsse ein Richter erst zustimmen.

Drittens sei wichtig, dass der Staat zunächst nachweisen müsse, warum und was er abhören wolle, damit dies sich nur auf eine strafrechtliche Untersuchung beschränke. Viertens wiederum müssten Internet- und Telekommunikationsunternehmen vor so genannten "Bulk Requests" geschützt seien, bei denen Behörden ganze Informationsblöcke abfragen, die die Daten ganzer Nutzerklassen enthalten. "Auch hier muss die Regierung einem Gericht demonstrieren, dass diese Informationen auch wirklich in einer strafrechtlichen Ermittlung benötigt werden."

Die Motivation hinter der DDP-Initiative lässt sich in zwei Bereiche einteilen. Während die teilnehmenden Bürgerrechtler schlicht wollen, dass das Abhören erschwert wird, kämpft die Internet- und Telekommunikationsindustrie mit enorm zugenommenen Begehrlichkeiten seitens staatlicher Stellen, die einen ganz realen wirtschaftlichen Niederschlag haben.

Ganze Abteilungen sind bei Google, Yahoo oder AT&T mittlerweile damit beschäftigt, solche Anfragen abzuwickeln, die Vieltausendfach im Jahr eingehen. Die Online-Riesen sehen sich genötigt, diesen Prozess mit genauen Vorgaben zu "streamlinen": Zuletzt wurden vom Internet-Aktivisten John Young ein Dokument des Softwareriesen Microsoft veröffentlicht, in dem Polizeibehörden und anderen staatlichen Ermittlern genau erläutert wurde, was sie von dessen Online-Diensten an Daten erhalten können und wie sie die Anforderung am besten formulieren.

Bürgerrechtler halten eine Reformierung des ECPA auch aus einem anderen Grund für dringend geboten. Gerade im "Krieg gegen den Terror" reizten die USA die Abhörmöglichkeiten gegen die eigenen Bürger zuletzt voll aus. "Warrantless Wiretaps", also das Lauschen ohne richterliche Genehmigung, kam dabei insbesondere unter der Bush-Administration ins Gerede. Telekommunikationskonzerne wie AT&T sollen dabei angeblich Datenverkehr im großen Stil an US-Schlapphüte ausgeleitet haben.

Dass das rechtlich nicht korrekt war, zeigen erste Urteile von US-Gerichten. So entschied ein Bundesrichter am Mittwoch, dass zwei Anwälte einer islamischen Organisation, beides amerikanische Staatsbürger, illegal abgehört worden seien. Das war allerdings nur deshalb nachweisbar, weil die Behörden ihnen im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung aus Versehen Geheimprotokolle hatten zukommen lassen. Eventuell bringt ja ein reformierter ECPA Licht in solche Aktionen. Aktuell sucht die DDP-Initiative nach Verbündeten im US-Kongress, um das Vorhaben auch umsetzen zu können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.