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Aktionstag für VermögensbesteuerungBerlin fährt mehr Millionäre auf

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auch in Berlin immer stärker auseinander. Sowohl die Zahl der Millionäre als auch das Armutsrisiko nehmen zu.

Dieses Thema hat sich bis heute nicht erledigt: Im Juli 2005 protestieren BerlinerInnen vor dem Landgericht gegen die Verantwortlichen des Bankenskandals. Bild: dpa

Die Schere zwischen arm und reich wird größer – vor allem in Berlin. Dies zeigen zwei aktuelle Entwicklungen: Zum einen ist die hiesige Zahl der Einkommensmillionäre gestiegen. Zum anderen hat die Armutsgefährdungsquote in der Stadt einen neuen Höchststand erreicht. Deswegen gehen an diesem Samstag unter anderem in Berlin Tausende auf die Straße, um eine stärkere Besteuerung der Privatvermögen zu fordern.

Allein die vom Bündnis „Umfairteilen“ geforderte dauerhafte Vermögenssteuer würde dem Haushalt des Landes Berlin jährliche Zusatzeinnahmen von einer Milliarde Euro bescheren, sagte Ver.di-Bundesvorstand Ralf Krämer der taz. Außerdem fordert das Bündnis, zu dem die Berliner Landesverbände von SPD, Grünen und Linkspartei gehören, eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte sowie eine einmalige Vermögensabgabe zum Abbau der Staatsverschuldung.

In Berlin ist die Zahl derer, die derartige Steuern bezahlen müssten, rasant gestiegen. 596 Personen, deren Jahreseinkommen mehr als eine Million Euro beträgt, leben laut der Senatsverwaltung für Finanzen in der Stadt; die Zahl bezieht sich auf 2008. Nur drei Jahre vorher, 2005, waren es noch 368 Einkommensmillionäre. Unverändert ist deren Verteilung auf die Bezirke geblieben: Knapp zwei Drittel leben in Steglitz-Zehlendorf oder Charlottenburg-Wilmersdorf.

In Berlin ist aber nicht nur die Zahl der Reichen gestiegen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, von Armut betroffen zu sein: 21,1 Prozent der Berliner müssen mit weniger als 60 Prozent des mittleren Monatseinkommens der Gesamtbevölkerung auskommen. Letzteres beträgt in Deutschland für einen Ein-Personen-Haushalt derzeit 848 Euro. Nur in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Armutsgefährdungsquote höher. Die Zahlen hat das Statistische Bundesamt kürzlich vorgelegt. Demnach wies Berlin von 2010 auf 2011 mit 1,9 Prozentpunkte den höchsten Anstieg an armutsgefährdeten Einwohnern in ganz Deutschland auf.

Den Bezirken fehlt Geld

Gerade diese Menschen seien darauf angewiesen, dass der Staat soziale Infrastruktur zur Verfügung stelle, sagte die Vorsitzende der Berliner Volkssolidarität, Heidi Knake-Werner, der taz: „Berlin ist Hauptstadt der Kinder- und Altersarmut.“ Deshalb müssten die Bezirke öffentliche Räume zur Verfügung stellen, in denen sich Junge wie Alte gegen Vereinsamung wappnen und soziales Leben entfalten können. „Doch die finanzielle Ausstattung der Bezirke ist oft so dürftig, dass sie zu Einschränkungen greifen müssen.“ Ein Beispiel hierfür sei der Seniorentreff Stille Straße in Pankow. „Wir müssen dringend gegensteuern, indem wir für eine Umverteilung der Vermögen sorgen“, so Knake-Werner.

Den Forderungen nach einer Umverteilung schloss sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) an: „Ich halte es für fiskalisch geboten und aus Gerechtigkeitsgründen für notwendig, dass sich besonders Vermögende stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen“. Schließlich hätten diese in der Finanzkrise sehr von den Leistungen des Staates profitiert. „Über Details wollen wir uns in den nächsten Wochen verständigen“, sagte Nußbaum mit Blick auf Debatten in der Bundes-SPD.

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6 Kommentare

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  • WA
    Werner aus Much

    Wenn ich mir die Botox-Fressen so ansehe, denke/frage ich mich ob Reichtum erstrebenswert ist?

    Für den der es braucht, warum nicht.

    Aber wer sonst braucht Botox-Fressen?

    Wäre da nicht der ein oder ander Euro besser aufgehoben?

  • Y
    yberg

    die kunst is es doch in der vermögens- einkommens- und steuergestaltung das vermögen und die damit verbundenen gewinne in unternehmen zu halten,da diese mit weit weniger als der hälfte der persönlichen einkommenssteuerhöchstsatzes belastet werden.

     

    z.b. 15 % körperschaftssteuer und schlapp 1 % solidarzuschlag gegenüber nominell 42 % einkommensteuer und auf die einkommenssteuer noch mal 5,5% solidarzuschlag is gleich schlapp 2,5 % und das schöne is ja auch,dass der steuerpflichtige mit hilfe seiner berater alle möglichkeiten nützen kann,kosten der privaten lebensführung diesen unternehmensvehikeln überzuhelfen,ich sach nur karosse,teil der hütte,geschaftsveranstaltungen natürlich auch reisen,die dienen ja der suche nach anlagemöglichkeiten und,und,und...

     

    erst wenn der einkommenspflichtige angesammelte gewinne entnimmt wirds teurer,aber die benötigten kosten für die private lebensführung lassen sich ja im voraus beziffern und somit gestalten.

     

    im klartext heißt das,daß vermögende bürger in firmenmänteln ihr vermögen auslagern und und durch die allgemeinheit steuerlich gesponsort immer weiter ansammeln können .

     

    die mit diesen summen dargestellte wirtschaftliche macht ,ermöglicht den wenigen vermögenden mit all ihren bezahlten unterstützern und beratern,mietmäulern und lobbyisten die politisch agierenden in ihrem sinne zu beeinflußen.

     

    übrigens,wennn wir in berlin 3 500 000 einwohner haben besitzen nach der statistik mindestens 3 500 einwohner mittlere einstellige und höhere millionenbeträge,mit dazugehörigen erträgen.da wir eine städtische population u.a.auch viel höhere immobilienwerte haben,hamn wir bestimmt 10 000 "unglückliche" ,die die reichensteuer treffen würde.

     

    hier wird idiotischer weise eine kopfsteuer propagiert,die als sanktion aufschlägt und den betroffenen opferstatus verschafft.

     

    schlicht,vermögen soll besteuert werden und nicht menschen der stempel kopfsteuer aufgedrückt werden.

     

    von einem geordneten gemeinwesen,profitieren am meisten die besitzenden.

  • A
    Alreech

    Wo ist das Problem ?

    Grundsteuern und Gewerbesteuern rauf !

    Das kann jede Gemeinde im Alleingang beschließen.

     

    Mehr Finanzbeamte und mehr Prüfungen. Das kann jedes Bundesland selber machen, auch wenn ein mehr an Einnahmen dazu führt das Berlin weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich erhält.

  • A
    aurorua

    Solange wir keine Gesetzgebung haben die verantwortungslose Politiker, gnadenlos bestraft, inhaftiert, in Privathaftung nimmt und alle erworbenen Pensionsansprüche ersatzlos streicht, sobald sie aus Inkompetenz und mit Blick auf Posten, Pöstchen und Beraterverträge, Steuergelder in Milliardenhöhe unbedacht verschleudern, ist jeder Cent Steuergeld mehr (egal woher), weg geworfenes Geld.

  • F
    Fofi

    "Euer Reichtum MACHT unsere Armut."

  • S
    Stratege

    Eine Zivilisation, die auf prozentuale Wachstumsklauseln bei Löhnen, Mieten und Tarifen setzt, hat ein unausweichliches Problem:

     

    Die arithmetischen Wirkungen führen zu Umverteilungseffekten, die das System in JEDEM FALL irgendwann sprengen.

     

    Bildlich:

    Bei einer Abgabenquote von über 70% (incl. aller verdeckten Steuern) und einer Wohnkosten-Quote von 30% bleibt dem Menschen NICHTS zum Essen!

     

    Nun gibt es einen paradoxen Effekt:

    Wenn man bei den Reichen die Steuern erhöht, werden diese noch mehr zu steuersparenden Investitionen gezwungen, zudem verschärft sich der Druck, nach UNTEN Kosten zu sparen.

    Die Steuererhöhung bringt dem Staat zwar mehr Geld - aber UNTEN steigt der Druck weiter, weil die Reichen noch mehr Steuerspar-Modelle und Zins-Häuser kaufen.

    Und so wird die Wertschöpfungspyramide immer spitzer.

     

    Welcher Systemwechsel ist nötig?

    Der Wertschöpfungszuwachs im oberen Drittel der Einkommenspyramide darf in der Summe nie höher werden, als der Wertschöpfungszuwachs im unteren Drittel. Das bedeutet: sozialen Ausgleich - der auch UNTEN im Nenttolohn ankommen muß, und der auch als Realeinkommen vorhanden sein muß.

     

    Wer diesen Zusammenhang nicht beachtet - zerstört das Fundament der Zivilisation.

     

    Folgerung:

    Man wird nicht darum herum kommen, sich mit den Folgen rein arithmetischer, leistungsloser Umverteilung - im Großen wie im Kleinen - zu befassen.