piwik no script img

Archiv-Artikel

Aktien- und Zinssteuer

Die Deutschen sind Börsenmuffel. Selbst in den schrillsten Tagen der Aktienspekulation besaßen nur 20 Prozent der Bundesbürger direkt oder indirekt über Investmentfonds Aktien. Aktionäre stehen nicht ganz zu Unrecht im Verdacht, zu den Besserverdienenden zu gehören, und so schien die rot-grüne Regierung zunächst wild entschlossen zu sein, Spekulanten tiefer in die Tasche zu greifen.

Dabei geht es bis heute weniger um Steuersätze als vor allem um Fristen, denn grundsätzlich werden Aktiengewinne durchaus bis zum Höchststeuersatz von 51,2 Prozent versteuert. Mehr will niemand. Allerdings wird die Steuer nur innerhalb der so genannten Spekulationsfrist von einem Jahr fällig. Wer also langfristig Aktien hält, und das ist der Normalfall, geht steuerfrei aus.

Dieses Steuerprivileg stört das Gerechtigkeitsempfinden vieler und löst unterm Strich eine Umverteilung zu Ungunsten der Sparbuch-Klasse aus, die brav Einkommensteuer auf 1,5 Prozent Zinsen zahlt.

Für eine weitgehende Steuerfreiheit machen sich dagegen angebotsorientierte Ökonomen stark, da nur so den Aktiengesellschaften frisches Kapital zufließe und die Konjunktur belebt werde. Aus diesem Grund will US-Präsident Bush beispielsweise die Dividendensteuer streichen, um so wie in den goldenen Neunzigerjahren Börse und Konjunktur zu beflügeln.

Im Vergleich zu Wallstreet oder Londoner City kommen hiesige Aktionäre allerdings unterm Strich bislang billiger davon. Trotzdem scheiterte selbst die von Finanzminister Eichel geplante Ministeuer von 7,5 Prozent – ohne steuerfreie Fristen – kürzlich im Bundesrat.

Reale Steuerzahlungen auf Zinsen werden dagegen hauptsächlich durch Länder wie die Schweiz und Luxemburg verhindert. Da hierzulande zunächst ein Zinsabschlag erhoben wird, der später mit der höchstmöglichen Einkommensteuer verrechnet wird, werden Sparanlagen gerne über die Landesgrenzen in Staaten mit niedrigsten Steuersätzen geschafft.

Der hiesige Fiskus geht dann trotz eines im internationalen Vergleichs hohen Steuersatzes ziemlich leer aus. Die EU versucht seit Jahren, diese Schlupflöcher zu stopfen. Dafür spricht die ökonomische Vernunft. Dagegen sprechen nationale Egoismen in den Steuerparadiesen und die Angst vor „dem gläsernen Bankkunden“, wie ihn CDU und FDP pflegen. Denn reale Zinssteuern würden in jedem Fall mehr staatliche Kontrolle erfordern. HERMANNUS PFEIFFER