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Archiv-Artikel

Airbus reißt das Zeitfenster auf

Ultimatum für Verlängerung der Werkspiste aufgehoben. Hamburger Senat kriegt Zeit, Fehler im Planfeststellungsbeschluss nachzubessern und widerspenstige Grundeigentümer doch zu enteignen. Airbus-Gegner sehen juristisch keine neue Lage

aus HamburgGernot Knödler

Eine Gnadenfrist ist eine gute Nachricht mit einem Haken. Kein Wunder, dass die Herren des Senats und des Flugzeugbauers Airbus verkniffene Gesichter machten, als sie gestern im Hamburger Rathaus vor die Presse traten, um einen Aufschub für die Stadt in Sachen Landebahnverlängerung zu verkünden. Zwei Tage zuvor waren die Gespräche über den Kauf der nötigen Grundstücke vollends gescheitert. Um enteignen zu können, will der Senat den Planfeststellungsbeschluss zu der Pistenverlängerung nachbessern. Bürgermeister Ole von Beust zeigte sich weiter verhandlungsbereit, versicherte aber zugleich, „dass jetzt alles getan wird, um dieses Projekt durchzusetzen“.

Das Hamburger Airbus-Werk ist seit 2001 für mehr als 650 Millionen Euro um eine künstliche Halbinsel in dem EU-Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch erweitert worden. Damit sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, um den Riesen-Airbus A380 an der Elbe zu montieren, zu lackieren, innen auszustatten und an die Kundschaft auszuliefern. Damit die großen Flugzeuge landen könnten, wurde die Werkspiste zugleich um 393 Meter verlängert.

Bereits während dieses ersten Verfahrens hatten Skeptiker prophezeit, bei dieser Verlängerung werde es nicht bleiben. Tatsächlich beantragte Airbus eine abermalige Verlängerung um weitere 598 Meter. Diese würde die Piste bis auf 200 Meter an das Obstbauerndorf Neuenfelde heranführen – einschließlich einer Sicherheitszone und einer Straße, die um den Pistenkopf herumgeführt werden müsste, bis auf 100 Meter. Erste Häuser im Außenbereich wurden bereits abgerissen.

Zwar ist die Werkserweiterung vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden. Den verhängten Baustopp hat das Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren jedoch aufgehoben, weil dieser die gesamte Werkserweiterung in Frage stellen würde. Die abermalige Pistenverlängerung beurteilten dagegen sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren als voraussichtlich rechtswidrig. Der Senat kann die Grundstücke, die der Pistenverlängerung im Wege liegen, daher nicht enteignen, obwohl er eigens drei Gesetze dafür hat verabschieden lassen.

Mit Verhandlungen und großzügigen Kaufangeboten ist es dem Senat gelungen, die Zahl der widerstrebenden Grundeigentümer auf drei zu reduzieren. Eine Schlüsselstellung unter ihnen nimmt die Kirchengemeinde St.Pankratius ein, die sich der Zukunft des Dorfes verpflichtet fühlt. Unter Berufung auf den OVG-Beschluss teilte der Kirchenvorstand dem Bürgermeister per Fax mit, er werde „fortan keine außergerichtlichen Gespräche über den Verkauf des Grundstücks“ mehr führen. Von Beust wertete das als Affront, der nicht dazu führen werde, „dass der Senat seine Pläne aufgibt, noch dass sich Airbus beleidigt nach Toulouse zurückzieht“.

Den Gerüchten über ein französisches Komplott gegen den Standort Hamburg entgegentretend, versicherte der Chef von Airbus Deutschland, Gerhard Puttfarcken, dass auch die Führung von Airbus international voll hinter Hamburg stehe. Bis das Auslieferungszentrum in Hamburg gebaut sei, im Erfolgsfalle spätestens Mitte 2007, würde die Auslieferung nach Toulouse verlagert. „Wir werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, alle geplanten Schritte für die A380 in Hamburg durchführen“, versprach Puttfarcken.

Wirtschaftssenator Gunnar Uldall gab sich optimistisch, dass sich die Mängel des ersten Planfeststellungsbeschlusses ausbügeln ließen. Inzwischen sei klar, dass es nicht nur um die Auslieferung von Frachtversionen des A380 sondern um die Auslieferung überhaupt gehe. Die Familie, die seit 400 Jahren einen Hof in Verlängerung der Piste bewohnte, habe verkauft, und überhaupt sei die Zahl der möglicherweise zu Enteignenden von zehn auf drei geschrumpft.

„Juristisch hat sich nichts geändert“, urteilt dagegen Airbus-Kritiker Franz-Josef Oberließen. Ob Airbus ein Auslieferungszentrum in Hamburg baue, sei eine konzerninterne Entscheidung – und konzerninterne Vorgaben habe das OVG nicht als Rechtfertigung zugelassen.

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