: Ahmed K. ist unerwünscht
Innenverwaltung will Opfer rechter Gewalt in den Libanon abschieben. Verwaltungsgericht begründet das so: Wer hier zusammengeschlagen wurde, sollte nicht hier therapiert werden
VON HEIKE KLEFFNER
Mit schwerem Trauma, ohne gültigen Aufenthaltstitel und ohne Zugang zu ärztlicher Versorgung gehört der Palästinenser Ahmed K.* seit einem Monat zu der wachsenden Gruppe von tausenden „illegalisierten“ Flüchtlingen. Dabei benötigt der 32-Jährige dringend therapeutische und ärztliche Hilfe. Nicht um die Spätfolgen eines Überfalls in der Heimat zu behandeln, sondern weil er am 16. Februar 2002 Opfer eines rechtsextremistischen Überfalls wurde.
Beim Joggen in Waßmannsdorf war K. von vier Rechtsextremisten angegriffen worden. Die Gruppe hatte die Nacht durchzecht und befand sich auf dem Heimweg. Mit der Frage „Bist du Ausländer?“ stellte sich einer der Männer K. in den Weg. Als der bejahte, rief einer der Männer: „Lasst uns den Ausländer aufklatschen!“
Ein Stockschlag warf K. zu Boden. Die vier Männer versuchten, ihm mit einem Hammer auf den Kopf zu schlagen. K. konnte zunächst wegrennen. Allerdings holten ihn seine Angreifer zweimal wieder ein und attackierten ihn weiter. Schließlich fand ein Wachmann des nahe gelegenen Flüchtlingsheims, in dem K. zuvor Freunde besucht hatte, den Schwerverletzten. K. musste mit Schädelprellungen und Nierenverletzungen zwei Wochen lang stationär behandelt werden.
Inzwischen sind die Täter wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen zwischen 22 Monaten und 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt worden.
Ahmed K. leidet seit dem Angriff an Albträumen, Schlafstörungen und Depressionen und wurde über ein Jahr lang psychotherapeutisch behandelt. Seit einem Monat kann K. die notwendige Therapie nicht mehr fortsetzen. Denn ginge es nach der Innenverwaltung des Senats und dem Verwaltungsgericht Berlin, wäre K. bereits am 20. November in den Libanon abgeschoben worden. In der gerichtlichen Ablehnung einer Duldung für K. schreibt Martin Taegener, Vorsitzender der 24. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin, es sei nicht erkennbar, warum bezüglich der Folgen des rechtsextremen Angriffs weitere ärztliche Behandlung „im Bundesgebiet notwendig ist, zumal als Genese der posttraumatischen Belastungsstörung ein Überfall durch Rechtsradikale in Deutschland geschildert wird und deshalb der Umstand weiteren Verbleibens gerade hier der Therapie eher weniger förderlich sein dürfte“. Gegenüber der taz sagte Taegener, er habe sich „weder Gedanken gemacht über Behandlungsmöglichkeiten noch darüber, wie Rechtsradikale über meine Entscheidung denken könnten“.
Der Potsdamer Verein „Opferperspektive“ hatte zuvor vergeblich an die Innenverwaltung appelliert, Ahmed K. als Opfer rechter Gewalt eine Duldung in Berlin zu erteilen. Immerhin sei im Koalitionsvertrag zwischen PDS und SPD ein Bleiberecht für Opfer von rassistischen Angriffen festgeschrieben, sagt Judith Porath, Sprecherin der „Opferperspektive“. Bei Ahmed K. handele es sich, so die Innenverwaltung, um einen verurteilten Straftäter, der „in der von ihm begangenen Straftat ähnlich brutal vorgegangen ist, wie es ihm leider später selbst ergangen ist“, so der ehemalige Innenstaatssekretär Lutz Diwell in einem Brief. K. war im Sommer 1999 wegen Beteiligung an einem Erpressungsversuch in einem Flüchtlingsheim zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden. Zum Zeitpunkt des Angriffs in Waßmannsdorf war er Freigänger in der JVA Hakenfelde, aus der er im Mai 2003 vorzeitig entlassen wurde. Mit der Rechtsauffassung der Innenverwaltung werde der Palästinenser, der seit 1994 in Berlin lebt und bis zu seiner Verurteilung über eine Aufenthaltsbefugnis verfügte, „doppelt bestraft“, kritisiert Judith Porath. Zudem ignoriere die Innenverwaltung eine positive richterliche Sozialprognose für K. Porath hofft nun, dass das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde stattgibt und K. bleiben kann.
*Name geändert