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Agitation für Millionen?

■ Die publizistische Misere der bundesdeutschen Kommunisten

Einer war optimistisch. „Wir kommen mit unserer Massenagitation etwa an drei Millionen Menschen in der Bundesrepublik heran“, schwärmte das DKP–Vorstandsmitglied Wilhelm Sprenger auf der Vorstandstagung im Januar. Wirklich? Dem täglich erscheinenden Parteiorgan UZ (Unsere Zeit) jedenfalls gehts schlecht. Allein im letzten Jahr gab es einen Abonnement–Rückgang von acht Prozent. In Norddeutschland hält sich nicht einmal jeder zweite Parteigenosse diese papierene politische Richtschnur (1983: 70 Prozent). Eine interne Untersuchung hatte gar ergeben, daß 94 aller Abonnenten die Zeitung gar nicht mehr regelmäßig lesen. So richtig beliebt ist das dröge Blatt nur freitags in der DDR: Wenn das gesamte Westfernsehprogramm abgedruckt wird. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, daß seine Spalten für die Anhänger von „Glasnost“ in der Bundesrepublik kategorisch verschlossen bleiben. Ein Text des Parteidichters und langjährigen Mitglieds des Landesvorstands, Peter Schütt, der zum 70.Jahrestag in der Prawda erschien, wurde ohne Begründung nicht in die UZ genommen. Dafür erschien kürzlich gut plaziert die Beschwerde eines einzelnen Hamburger Genossen, dessen neues Mitgliedsbuch einen großen Fettfleck enthielt. DKP–Zeitschriften, die sich in der Reformdiskussion zu weit vorgewagt haben, bekommen die rote Karte. Die bekannte Kulturzeitschrift Kürbiskern wurde zum Jahresende 1987 eingestellt. Zuletzt gingen 2.000 der 3.000 gedruckten Exemplare in die DDR. Von dort kam zunehmend Kritik der führenden Kulturfunktionäre. Das gleiche Schicksal soll die kleine, aber intensiv gelesene Zeitschrift Kultur und Gesellschaft ereilen. Parteioffizielle Begründung in beiden Fällen: kein Geld in den Parteikassen. Aus dem Tal völliger publizistischer Bedeutungslosigkeit soll die Partei nun ein neues Projekt führen: eine flotte Wochenzeitung. Chef soll der in der Partei für Öffentlichkeitsarbeit zuständige „Genosse“ Fritz Noll werden. Sein Rezept: Eine populäre Zeitung, die jedoch „keinen Zweifel an ihrem kommunistischen Standpunkt läßt“.

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