Afrikanische Solarenergie: Strom aus der Wüste
Solarstrom aus der Sahara soll an Europa geliefert werden. Eine Fläche von der Größe Bayerns könnte die Welt mit Strom versorgen. Aber das wird teuer.
Über "photoelektrischen Strom" hatte Wilhelm Ostwald, Nobelpreisträger für Chemie, bereits 1911 geschrieben. Mit "ruhiger Heiterkeit" könne man an die Zukunft der Kinder und Kindeskinder denken, wenn es gelänge, diese Art von Energiegewinnung großtechnisch zu nutzen.
Einhundert Jahre später klingt diese Vision nicht mehr ganz so futuristisch: "Die von Deutschland eingebrachte Solarplan-Initiative ist mittlerweile einer der zentralen Punkte der Mittelmeer-Union", sagt Günter Gloser, Staatsminister im deutschen Außenministerium. Was er mit "Solarplan" meint: die Belieferung Europas mit klimafreundlichem Strom aus Nordafrika.
Technisch sei diese Vision "absolut machbar", urteilt Wolfram Krewitt, der zuständige Abteilungsleiter beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), das im Auftrag des Bundesumweltministeriums über das Thema forscht. Das DLR hat errechnet, dass mit Parabolrinnenkraftwerken in der Sahara auf einer Fläche von rund 65.000 Quadratkilometern - das ist weniger als die Größe Bayerns - der Strombedarf der Welt gedeckt werden könnte. Das Problem daran: Der Sonnenschein ist kostenlos, die Umwandlung in Elektrizität und deren Transport sind hingegen teuer.
Das zeigt auch eine Studie, die die Umweltorganisation Greenpeace am Mittwoch veröffentlichte. Beginnend mit 15,4 Milliarden Euro im kommenden Jahr müssten demnach bis zum Jahr 2050 174 Milliarden Euro investiert werden, insbesondere in den Ausbau der notwendigen Leitungen. Sofern man zu solchen Investitionen bereit ist, könne aber 2050 ein Viertel des weltweiten Strombedarfs aus solarthermischen Kraftwerken gewonnen werden, zeigt sich Greenpeace optimistisch.
Dann würde sich das Unterfangen sogar rentieren: Umgerechnet auf einen Zeitraum von 40 Jahren, lägen die Kosten für den Stromtransport bei nur 1 Cent pro Kilowattstunde - im Vergleich: Eine Kilowattstunde Strom aus solarthermischen Kraftwerken kostet derzeit 15 bis 23 Cent.
Freilich sind nicht alle so optimistisch: So hält der SPD-Politiker Hermann Scheer, der sich seit Jahren für die Solarenergie engagiert, das Vorhaben für "reine Zukunftsmusik". Der Plan brauche eine "lange Umsetzungszeit und steckt voller Unwägbarkeiten", warnte er in der Frankfurter Rundschau.
Für die Energieversorgung Nordafrikas sei die Nutzung der Solarkraft aus der Wüste "dringend nötig", doch Nordafrika als Stromlieferanten Europas einzuplanen und womöglich gegen den Ausbau der heimischen erneuerbaren Energien auszuspielen, sei "abenteuerlich".
Wie es einmal aussehen könnte, ist inzwischen auf der südspanischen Hochebene La Calahorra zu bestaunen, wo im Oktober vergangenen Jahres "Andasol 1", das erste Parabolrinnenkraftwerk Europas, den Testbetrieb aufnahm. Mit einer Kollektorfläche von über 510.000 Quadratmetern - das entspricht rund 70 Fußballfeldern - wird es Strom für 200.000 Menschen erzeugen.
Das Besondere an Andasol 1 ist neben der schieren Größe die verwendete Technologie. Nicht mit den weithin bekannten Solarzellen aus Silizium wird hier Elektrizität erzeugt, sondern in einem Parabolrinnenkraftwerk: Gekrümmte Spiegel bündeln die Strahlen der Sonne und werfen sie auf ein Absorberrohr. Darin zirkuliert Öl, das sich in der gleißenden Hitze auf bis zu 400 Grad aufheizt. Mit dieser Energie wird dann, wie in konventionellen Kraftwerken auch, Wasser zum Sieden gebracht, das über eine Turbine Generatoren antreibt, um Strom zu erzeugen.
Und anders als bei der herkömmlichen Solartechnologie läuft der Betrieb auch nachts. Denn das zirkulierende Öl aus den Parabolspiegeln treibt nicht nur den Stromgenerator an, sondern heizt zudem flüssiges Salz, das mehr Energie speichern kann als Wasser, auf 380 Grad Celsius auf. Nach Sonnenuntergang wird der Wasserdampf für den Antrieb der Turbinen mit der Wärme aus diesen Salztanks erzeugt.
"In den Ländern des Sonnengürtels gibt es nicht nur Flächen und Möglichkeiten, sondern auch die Notwendigkeit, Energie zu produzieren", sagt Staatsminister Gloser. Länder wie Tunesien oder Marokko seien abhängig von fossilen Energieimporten, "obwohl sie reich an regenerativen Energiequellen sind".
Im Februar reiste Bundesumweltminister Sigmar Gabriel durch mehrere nordafrikanische Staaten, um über die Solarpläne zu reden. In Paris tagte eine Expertenkonferenz zur Erarbeitung eines Masterplans. Südlich von Kairo wurde zum Jahresanfang mit der Montage des ersten Parabolrinnenkraftwerks in Nordafrika begonnen. Und bilateral verhandeln Deutschland und Algerien über Stromlieferungen aus dem südalgerischen Hassi RMel in Südalgerien, wo derzeit die größte Solaranlage der Welt entsteht.
Doch mehr als erste Schritte sind das nicht. Gerhard Knies will das ändern. Der Hamburger Physiker ist Mitglied eines Zusammenschlusses von Wissenschaftlern, der Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (Trec). Seit seiner Pensionierung zieht Knies wie ein Handlungsreisender durch die Welt, um Behörden, Ministerien und arabische Königspaläste von den Vorzügen der Parabolrinnenkraftwerke und mediterranen Ökostromidee zu überzeugen.
Ein schwieriger Job. "Die einen sagen, sie seien ein armes Land und könnten sich die Investitionen nicht leisten", berichtet Gerhard Knies. "Die anderen sagen, sie hätten genug Öl und brauchten keine Alternativen."
Allerdings beobachtet Staatsminister Gloser einen Umdenkprozess: Auch die reichen Ölländer hätten erkannt, "das das Öl nicht mehr, sondern weniger wird, selbst wenn unter Umständen noch weitere Quellen erschlossen werden könnten".
"Perspektivisch muss es unser Ziel sein, Solarenergie in der Sahara oder in der Kalahari zu gewinnen und in Stuttgart, Berlin, Tokio oder New York zu verbrauchen." Diese Worte stammen nicht etwa von Greenpeace, sondern von Utz Claassen, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Atomstromkonzerns EnBW. Dennoch sind die großen Stromkonzerne noch nicht eingestiegen.
Ohne enorme Investitionen werden diese Pläne aber nicht zu realisieren sein. Staatsminister Gloser verweist auf die Förderung durch die Europäischen Investitionsbank, muss aber einräumen, dass die Länder im Sonnengürtel "natürlich selbst Mittel bereitstellen" müssten. Und ohne Privatinvestitionen wird es auch nicht funktionieren."
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