piwik no script img

Archiv-Artikel

„Afrika bringt keine Quote“

betr.: „Die verordnete Versöhnung“ (zur Aufarbeitung der Kolonialherrschaft Deutschlands in Namibia), taz vom 19. 9. 05

Die fehlende Diskussion über den deutschen Kolonialismus ist vor allem auch das Ergebnis eines Versagens der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten.

Als Dokumentarfilmemacher habe ich über viele Monate vergeblich versucht, bei den mir bekannten Auslandsredaktionen direkt, aber auch über verschiedene Produktionsfirmen 2004 eine Dokumentation über den Völkermord an den Hereros unterzubringen. Die Antwort der Redaktionen von WDR und Arte und die Kommentare der Produktionsfirmen waren einhellig ablehnend – mit der Begründung, erstens sei das Thema „zu politisch“, und zweitens bringe „Afrika keine Quote“.

Statt eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte zu leisten, schwelgen die deutschen Medien lieber in den letzten Tagen Hitlers oder ergötzen sich an der Architektur des Faschismus. Dass der Faschismus aber schon vor hundert Jahren in den deutschen Kolonien gewütet hat, will niemand in Deutschland wissen. Offensichtlich reicht den deutschen Medien der immer wieder quotenträchtige „Ballast“ des Naziterrors als Vergangenheitsbewältigung, Kolonialverbrechen lastet man lieber Spaniern, Franzosen und Engländern an. So wissen die meisten Deutschen offensichtlich nicht einmal, dass Deutschland je Kolonien hatte, geschweige denn, wie menschenverachtend die deutsche Herrschaft in diesen Ländern war.

Autoren und Filmemacher kämpfen zunehmend vergeblich gegen redaktionelle Ignoranz, gegen die Quotengeilheit und für die Erfüllung des Bildungsauftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten – nicht nur zum Thema Kolonialverbrechen. MARCEL KOLVENBACH