Afghanistan-"Geberkonferenz" in Paris: Enttäuschende Bilanz
Auf einer Geberkonferenz in Paris beraten 50 Staaten, wie viel Geld nach Afghanistan fließen kann. Die bisherigen Hilfsgelder funktionieren schlecht oder fließen zurück in den Westen.
PARIS taz 50,1 Milliarden US-Dollar wünscht sich Präsident Hamid Karsai für einen Fünf-Jahres-Plan. Mit dem Geld von der internationalen Gemeinschaft will er die Strukturen in seinem zerstörten Land aufbauen. Das will er am Donnerstag bei der "Geberkonferenz für Afghanistan" in Paris erklären. Delegationen aus mehr als 60 Ländern nehmen an der Veranstaltung teil. Die Präsidentschaft liegt bei drei Männern: Nicolas Sarkozy, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Präsident Karsai. Zusätzlich und parallel zum militärischen Engagement in Afghanistan wollen sie in Paris ein Zeichen für die friedliche Aufbaubereitschaft setzen.
Die Bilanz des bisherigen internationalen humanitären Engagements für Afghanistan ist alles andere als positiv. Sieben Jahre nachdem die internationale Gemeinschaft 25 Milliarden US-Dollar an Hilfen versprochen hat, sind davon lediglich 15 Milliarden Dollar zusammengekommen. Das stellt Acbar, die Agentur, welche die Hilfe von 94 Entwicklungsorganisationen in Kabul koordiniert, in einem Bericht für die morgige Konferenz fest. Acbar bemängelt außerdem, dass von den tatsächlich gezahlten 15 Milliarden US-Dollars 40 Prozent in die Geberländer zurückgeflossen seien: in Form von Aufträgen für dortige Unternehmen sowie als Löhne für Berater und Entwicklungshelfer. Für Afghanistan, dessen Staatshaushalt zu 90 Prozent aus internationalen Hilfsgeldern besteht, blieb nicht viel übrig.
Eine Gruppe von 16 französischen NGOs unterstreicht die Bilanz des Scheiterns der bisherigen Afghanistanhilfe. Drei Tage vor der Geberkonferenz haben die NGOs appelliert, "die Anstrengungen für Afghanistan zu verstärken". Sie kritisieren, dass nur 4 Prozent des afghanischen Staatshaushalts in die Landwirtschaft gehen, von der 75 Prozent der Bevölkerung leben.
Doch selbst da, wo Hilfen in die Landwirtschaft gehen, stellen die NGOs grobe Fehler fest, denn diese Gelder finanzierten vor allem exportorientierte Produktionen. In einem Land, in dem 21 von 34 Provinzen Ernährungsprobleme haben, sei das eine "schreiende Nichtinvestition in die Nahrungsmittelproduktion", erklärt Action contre la faim.
Die NGO ist sei beinahe 30 Jahren in Afghanistan tätig. Bei ihrer Pressekonferenz erklären die NGOs, dass in Afghanistan der Hunger zunimmt, dass nur die Hälfte der Kinder zur Schule geht, dass sich die Drogenwirtschaft ausbreitet und dass die laizistische (nichtreligiöse) und nichtbewaffnete Opposition an den Rand gedrängt wird.
Gastgeber Sarkozy will mit der Geberkonferenz sein internationales Engagement und seine enger werdende Zusammenarbeit mit den USA unterstreichen. Schon anlässlich der Nato-Tagung im April hatte er die Aufstockung der französischen Militärpräsenz in Afghanistan sowie Frankreichs komplette Rückkehr in die Nato angekündigt. In diesem Sommer will er die knapp 1.000 zusätzlichen französischen Soldaten nach Afghanistan verlegen. Aus Protest dagegen organisieren Antikriegsgruppen in Frankreich am Mittwoch, dem Tag vor der Geberkonferenz, einen Aktionstag. Unter demselben Motto: "Weder Militäreinsätze in Afghanistan noch Nato", haben sie bereits vor Wochen eine Petition im Web lanciert (siehe Textende).
Für Außenminister Bernard Kouchner geht es bei der Geberkonferenz darum, die Hilfe zu "afghanisieren". Er wolle, sagte der Außenminister bei einem Vorbereitungstreffen im Mai, zunehmend afghanisches Personal in die Aufbauhilfe integrieren. Das kommt dem afghanischen Präsidenten Karsai entgegen, der die Benennung eines UN-Koordinators für die Afghanistanhilfe abgelehnt hat.
Karsai will im nächsten Jahr zum dritten Mal als Präsident kandidieren. Zwar wird er in Afghanistan als "Bürgermeister von Kabul" verspottet, weil seine Macht kaum über die Grenzen der Hauptstadt hinausreicht. Doch morgen in Paris wird er von den internationalen Geberländern auf der Konferenz Applaus erhalten. Trotz der Kritik an seinen Allianzen mit Kriegsherren und an der Korruption im Land setzen die Geberländer weiter auf Karsai. Sie sehen keine Alternative.
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