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Affen und SprachePaviane erkennen englische Wörter

Sinnvoll oder unsinnig? Paviane können kurze gedruckte Wörter von Buchstabensalat unterscheiden. Bisher galt die Worterkennung als untrennbar mit der Fähigkeit zur Sprache verbunden.

Scrabble-Könige werden Paviane wohl nie – Wörter erkennen können sie aber. Bild: reuters

WASHINGTON dapd | Affen können gedruckte sinnvolle Wörter von gleich langen, unsinnigen Buchstabenkombinationen unterscheiden. Das zeigt ein Experiment französischer Forscher mit Pavianen. Die Affen erkannten bis zu 300 kurze englische Wörter – und dies mit einer Trefferquote von 75 Prozent.

Selbst neue, nie zuvor gesehene Wörter konnten sie häufig anhand typischer Buchstabenfolgen von Nichtwörtern unterscheiden. Obwohl sie keine Sprache besäßen, haben die Paviane demnach die Fähigkeit, einen orthografischen Code zu entschlüsseln. Sie seien auf ähnliche Weise wie der Mensch sensibel für die Grundmerkmale einer Schrift, berichten die Forscher im Fachmagazin Science. (doi: 10.1126/science.1218152)

Noch bevor wir den Sinn eines Wortes erfassen, weiß unser Gehirn, ob es sich um ein Wort unserer Sprache handelt. Es erkennt die Form der Zeichen und ihre Position als Buchstaben und Wortteile. Gleichzeitig registriert das Gehirn auch, ob diese Buchstabenkombination in unserer Sprache üblich ist. Diese Fähigkeit der Worterkennung galt bisher als untrennbar mit der Fähigkeit zur Sprache verbunden.

Mit ihrem Pavian-Versuch widerlegen Jonathan Grainger von der Aix-Marseille Université und seine Kollegen nun die gängige Lehrmeinung. „Die Paviane haben gelernt, verschiedene Buchstaben voneinander zu unterscheiden und die Positionen dieser Buchstaben auszuwerten“, schreiben die Forscher. Das belege, dass vorheriges Sprachwissen keine Voraussetzung sei, um orthografische Zeichen ähnlich wie der Mensch zu verarbeiten.

Gehege mit Touchscreens

Für ihre Studie hielten die Forscher sechs Paviane in einem Gehege mit freiem Zugang zu mehreren Touchscreens. Auf diesen erschien in zufälliger Reihenfolge entweder ein englisches, aus vier Buchstaben bestehendes Wort, beispielsweise land, them, vast oder done, oder aber eine gleichlange sinnlose Buchstabenkombination.

Die echten Wörter wurden im Verlauf von 100 Trainingsdurchgängen nacheinander eingeführt und dann jeweils mehrfach wiederholt, die Nichtwörter tauchten jeweils nur einmal auf. Nach jeder Zeichenfolge mussten die Paviane durch Berühren zweier Symbole entscheiden, ob sie ein echtes Wort oder ein Nichtwort gesehen hatten. Bei richtiger Entscheidung erhielten sie Futter als Belohnung.

Bereits nach eineinhalb Monaten hatten die Paviane gelernt, Dutzende von Wörtern von den Nichtwörtern zu unterscheiden, wie die Forscher berichten. Die Spanne habe von 81 Wörtern bei Pavian „Vio“ bis zu 308 Wörtern bei Pavian „Dan“ gereicht. Ähnlich wie beim Menschen war die Anzahl der Fehler umso größer, je ähnlicher die Nichtwörter tatsächlich existierenden englischen Begriffen waren.

„Aber noch wichtiger ist: Selbst echte Wörter, die die Paviane zum ersten Mal sahen, wurden von ihnen signifikant weniger häufig als „Nichtwort“ eingestuft als die Nonsenskombinationen“, schreiben Grainger und seine Kollegen. Das deute darauf hin, dass die Paviane unbewusst auch gelernt hatten, dass bestimmte Buchstabenkombinationen statistisch besonders häufig oder aber nie in den echten Worten vorkamen. Diese Art statistischen Lernens sei möglicherweise sogar ein universeller, bei verschiedenen Tierarten vorkommender Mechanismus, meinen die Forscher.

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3 Kommentare

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  • Z
    zat

    Das erinnert auch an die Versuche von Rupert Sheldrake zu morphischen Feldern, einer Art Kollektivgedächtnis. Das ist natürlich Esoterik, die niemand ernst nimmt, aber immerhin kann man sich dazu hübsche Experimente ausdenken. Zum Beispiel in dieser Diplomarbeit an der Universität Leipzig, Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie:

    http://www.psycho-beratung.de/diplom.htm

     

    Zitat: Der Test besteht aus einer Lernliste mit japanischen Wörtern, welche die Versuchspersonen als Blatt Papier in die Hand bekommen. Die Instruktion lautet: "Auf diesem Blatt finden Sie 30 japanische Wörter. Sie haben 4 Minuten Zeit, sich so viele Wörter wie möglich davon einzuprägen. Natürlich werden Sie sich nur eine geringe Anzahl merken können. Lesen Sie sich deshalb die Liste durch und wählen Sie die einfach zu lernenden Wörter aus. Nach den 4 Minuten werden Sie gebeten, die eingeprägten Wörter aufzuschreiben."

     

    Was die Versuchspersonen nicht wissen, ist, daß die Hälfte der vermeintlichen Vokabeln gar keine sind, das heißt, es sind in Wirklichkeit völlig sinnlose Kunstworte, die es im Japanischen überhaupt nicht gibt..."

  • CH
    Charlton Heston Jr.

    Diese unverantwortlichen verrückten Wissenschaftler sollten wirklich etwas vorsichtiger sein mit dem, was sie da machen. Ts ts ts, kennen die "Planet der Affen" nicht?

  • S
    sigibold

    Spracherkennung ist ein großes Wort. Ich reduziere das mal auf Mustererkennung und das ist etwas Lebensnotwendiges. Die Paviane müssten den einzelnen Worten sonst Begrifflichkeiten zuordnen können. Das scheinen sie aber nicht zu tun. Hier geht es, wie bei Aschenputtel, nur darum in gute und schlechte Worte zu sortieren.