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Affen-Heilkunde

■ Ein Kraut gegen Bauchweh, eine Frucht für die Fruchtbarkeit

Naturheilkunde, wie sie unsere Vorfahren praktizierten, ist wieder gefragt. Weil die Grenzen der modernen Medizin immer deutlicher werden, genießt die Kunst der Schamanen und Kräuterhexen, Zauberheiler und Medizinmänner neues Ansehen. Pharmakonzerne suchen in tropischen Wäldern nach den Medikamenten der Zukunft. Ethnobotaniker freunden sich mit Medizinmännern an, um ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken.

Jetzt haben Wissenschaftler Heilkünstler unter unseren evolutionären Vorfahren entdeckt — Primaten und Affen. Richard Wrangham von der Harvard Universität beobachtete, wie Schimpansen in Tansania die Blätter des Krauts „Aspilia“ einnahmen. Zuweilen entfernten sich einige der Tiere nach dem Erwachen von der Gruppe. Sie mieden die üblichen Futterquellen und suchten „Aspilia“-Pflanzen auf. Die Tiere wählten mit Bedacht junge Blätter des Krauts, die sie unzerkaut schluckten. Die Untersuchung des Kots ergab, daß die Blätter unverdaut ausgeschieden werden. In Laboranalysen fand Rodriguez auf der Oberfläche der frischen Blätter Drüsen mit Substanzen, die Darmparasiten wie Ringwurm, pilzliche Erreger und Retroviren töten. Blättern aus dem Kot der Tiere fehlten diese Stoffe. Offensichtlich war der Wirkstoff vom Verdauungssystem der Tiere aufgenommen worden. Ob die Schimpansen tatsächlich gezielt ihr Bauchweh kurierten, bleibt offen. Nährwerte gewannen sie jedenfalls nicht von Aspilia, da das Kraut praktisch unverdaut blieb.

Michael Huffman von der Kyoto Universität berichtet von kranken Schimpansen, die zum Heilkraut greifen. Die Tiere waren lethargisch, ihr Urin war dunkel verfärbt, und sie litten an Verstopfung und Appetitlosigkeit. Das Kraut gegen ihr Leiden heißt „Vernonia“. Die Schimpansen entblättern die Pflanze, entrinden sie und fressen den weichen Kern des Stengels. Nach wenigen Tagen geht es ihnen deutlich besser. Im Labor zeigte sich, daß die Blätter und Rinde von „Vernonia“ giftig sind, das Innere des Stengels aber einen Stoff enthält, der gegen Darmparasiten wie dem Erreger der Amoebenruhr wirksam ist.

Karen Strier von der Universität Wisconsin beobachtete eine seltene brasilianischen Affenart, die womöglich ein Medikament zur Förderung der Fruchtbarkeit einnimmt. Die Weibchen bleiben etwa sechs Monate, nachdem sie Junge großgezogen haben, unfruchtbar. Der Eisprung bleibt aus. Nach dieser Wartezeit lockt Verführerisches aus der Ferne: Die Frucht des „Affenohrbaums“. Die Affen-Eva verläßt ihr Revier eigens, um die Frucht zu vertilgen. Die aber enthält eine Vorstufe des weiblichen Sexualhormons Progesteron. Und es dauert nicht lange bis die Affenfrau wieder fruchtbar ist und das Interesse der Affenmänner erweckt.

Naturmedizin, schließen die Forscher, können wir nicht nur von unseren naturnah lebenden Mitmenschen und Vorfahren lernen. Auch von den Affen läßt sich einiges abgucken. Offensichtlich wußten Affenfrauen schon lange vor Adam und Eva, wie sich mit Früchten Männer verführen lassen. Silvia Sanides

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