AfD-Demo in Lichtenberg: Alerta, Alerta, Anti-AfD!

Die Lichtenberger AfD-Fraktion demonstrierte am Donnerstag gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft im Bezirk. Zu Gegendemos kamen mehr Menschen.

Keine weitere Aufnahme von neuen Asylbewerbern in Lichtenberg, fordert die AfD Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Ob sie wüssten, wie viele Syrer in Deutschland seien?, fragt der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio die Menge. „1 Million!“, ruft er empört. „Wenn also auch nur 0,1 Prozent von denen kriminell ist, sind das eintausend Menschen. Eintausend Solingen-Attentäter! Wollen wir die im Land haben?“.

Curio spricht am Donnerstagabend vor dem Linden-Center im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen zu den rund 200 Demonstrant*innen, die sich zur AfD-Kundgebung unter dem Motto „Es wird uns zu bunt! Lichtenberg ist voll!“ am Prerower Platz versammelt haben.

„Die erzählen uns allen Ernstes, die würden nach Deutschland fliehen müssen“, hetzt er weiter. „Das ist lächerlich. Wir würden doch auch nicht nach Afghanistan ziehen, wenn es in Berlin Unruhen gäbe.“ Der Jubel ist groß.

Die rassistischen Parolen Curios und seiner Vorrednerin, der Berliner AfD-Landesvorsitzenden Kristin Brinker, werden immer wieder von Trommeln, Tröten und Musik überlagert: „Moshpit auf den Nazis, wir tanzen auf den Schädeln dieser hasserfüllten Wesen“, schallt aus den Boxen quer über den Platz. Der Lärm stammt von „Lichtenberg Solidarisch“, einem Bündnis zivilgesellschaftlicher Initiativen, Organisationen und Parteien, die als Gegenprotest zur AfD-Demo eine Kundgebung gegen Rassismus organisiert hat.

In unmittelbarer Nähe findet eine weitere Gegendemo statt, zu der antifaschistische Initiativen aufgerufen haben. Rund 250 Menschen haben sich bei den beiden Demos versammelt, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen, darunter SPD, Jusos und Linke, Omas gegen Rechts und die Internationale Kommunistische Jugendorganisation. „Lichtenberg bleibt bunt, Hohenschönhausen bleibt bunt!“, rufen sie.

AfD-Demo richtet sich gegen geplante Flüchtlingsunterkunft

Anlass für die Kundgebung der Lichtenberger AfD-Fraktion sind die Pläne des schwarz-roten Senats, weitere Geflüchtete im Bezirk unterzubringen. Das ehemalige City Hotel Berlin East an der Landsberger Allee soll umgebaut und als Gemeinschaftsunterkunft für 1.200 Geflüchtete genutzt werden.

Ab November werden die Gebäude vom Land angemietet. Die ersten Be­woh­ne­r*in­nen sollen bereits im Winter einziehen, der volle Betrieb soll im Juli 2025 losgehen. Kritik wurde laut, nicht nur wegen der hohen Anmietungskosten, sondern auch wegen der hohen Belastung für den Bezirk. Lichtenberg beherbergt neben Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg die meisten Geflüchteten.

„Wir fordern vom schwarz-roten Senat: Keine weitere Aufnahme von neuen Asylbewerbern in Lichtenberg“, schrieb die AfD in ihrem Demo-Aufruf. Zum geplanten Hotel-Umbau an der Landsberger Allee hat die Partei für den 26.9 eine Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beantragt.

Das Gegenbündnis setzt sich für die Aufnahme weiterer Geflüchteter ein, äußert jedoch auch Kritik an Entscheidungen des Senats und Bezirks. „Lichtenberg ist der Ort mit der größten Kinderarmut, fehlenden Schulen und Arztpraxen“, sagt der Bezirksabgeordnete Toni Kraus (Linke). Er verstehe daher die Besorgnis der Menschen, betont jedoch: „Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine Verwaltungskrise.“ Er kritisiert, dass die finanzielle Last der Flüchtlingsunterbringung auf die ohnehin belasteten Bezirke abgewälzt werde. Trotzdem hält er fest: „Es ist unsere menschliche Pflicht, diesen Menschen Schutz zu bieten.“

Ein AfD-Demonstrant sieht das anders: „In Pankow werden möblierte Luxuswohnungen an Flüchtlinge gegeben“, behauptet das Parteimitglied gegenüber der taz, „und wir?“ Früher seien sie „unter sich“ gewesen und in Sicherheit, sagt der aus Steglitz-Zehlendorf angereiste Deutsch-Pole. Jetzt sei alles schlimmer gekommen, als er es sich je hätte vorstellen können. Er ist seit 11 Jahren AfD-Mitglied, erzählt er, und sei ein guter Freund des Identitären Martin Sellner, der in Potsdam für den „Remigrations“-Plan warb. „Ein ganz feiner Kerl“, sagt der AfDler. Und: „Er ist kein Nazi!“

Die AfD instrumentalisiert die Morde in Solingen

Der Rechtsextremist Sellner hatte nach den Morden in Solingen zynisch auf X geschrieben: „Das ‚Festival der Vielfalt‘ wird von der Vielfalt heimgesucht.“ Anschließend rief er zur „Remigration“ auf.

Die Kundgebung in Lichtenberg wurde schon vor den Morden in Solingen angemeldet, doch die Tat wird am Donnerstagabend instrumentalisiert, um rassistische Narrative und Abschiebedebatten zu befeuern. Gottfried Curio wirft mit Zahlen um sich, wie viele Gewalttaten es in Deutschland jährlich gebe und wie viele von Migranten verübt würden. „Wir sind nicht bereit, diesen Blutzoll zu zahlen!“, ruft er. „Wollt ihr Solingen oder die AfD?“.

Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland zeigt sich die AfD siegessicher: Kristin Brinker verspricht in ihrem Redebeitrag, dass die AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen stärkste Kraft werde, Gottfried Curio sagt: „Am Sonntag treffen wir uns um 18 Uhr wieder und feiern ein Fest der Demokratie!“

Die Gegendemonstration ist in der Überzahl

Zum Abschluss der AfD-Demo ertönt die deutsche Nationalhymne, die De­mons­tran­t*in­nen singen andächtig mit. Eine Gruppe schwarz bekleideter Männer mit „Hitlerjugend-Schnitt“, Sonnenbrillen und Shirts mit der Aufschrift „Heimliebe“ mokiert die durch Polizei und Absperrgitter abgezäunten Gegendemonstant*innen: „Alerta, Alerta, Antifascista!“, grölen sie und lachen.

„Lasst euch nicht provozieren“, lautet derweil die Ansage auf der Gegendemo. Von ihrem Ende des Platzes dröhnt die Musik, es wird getanzt und gefeiert. „Lasst euch nicht einschüchtern. Wir sind mehr!“

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