Adoption für Lesben und Schwule: Die letzte Bastion
Schwule und Lesben werden in Deutschland beim Adoptionsrecht benachteiligt. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Sie waren ein Einzelfall, aber dann ging es immer höher hinaus, sogar der Papst äußerte sich – nicht konkret über sie, aber zu ihrer Sache. Und nun verhandelt das höchste deutsche Gericht über das, was das Leben von Elisabeth und Cornelia Weise* seit neun Jahren ausmacht: die Frage, ob beide die Mutter der adoptierten Tochter sein dürfen.
Benedikt XVI. sprach von einem „Angriff auf die wahre Gestalt der Familie aus Vater, Mutter und Kind“, weshalb die Weises auf einen fortschrittlichen Nachfolger hoffen. Gerichte dachten genauso, die Frauen gaben nicht auf. Kommende Woche entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Elisabeth und Cornelia Weise sind lesbisch, seit über 20 Jahren ein Paar und seit 2004 Eltern. Cornelia ist 58, ihre Frau 53. Ihre Tochter Tanja wurde in Bulgarien geboren, kam als Adoptivkind zu ihnen, als sie vier Jahre alt war. Seitdem hat die heute 13-Jährige zwei Mamas. Für sie ganz normal. Rechtlich hat sie aber nur eine Mutter: Cornelia. Denn trotz eingetragener Lebenspartnerschaft dürfen sie ihre Tochter nicht gemeinsam adoptieren.
Der Termin: Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob homosexuellen Paaren die Sukzessivadoption erlaubt wird: Dürfen Schwule und Lesben ein Kind, das vom Partner oder der Partnerin adoptiert wurde, annehmen? Die Adoption leiblicher Kinder ist seit 2005 möglich.
Die Zahlen: Die Sukzessivadoption betrifft nur sehr wenige Familien. Das Urteil dürfte positiv ausfallen und gilt als wichtiger Schritt hin zur vollständigen Gleichstellung beim Adoptionsrecht.
Sie waren blauäugig damals, als sie sich für eine Adoption entschieden. Cornelia adoptiere alleine, der Rest werde sich schon ergeben, dachten sie. Die beiden schlossen 2005 eine Lebenspartnerschaft und beantragten die Zweitadoption durch Elisabeth. Doch eine solche Sukzessivadoption ist für homosexuelle Paare in Deutschland nicht möglich. Wäre Tanja leibliches Kind von Cornelia, hätte die Partnerin sie dagegen adoptieren können.
Sieben Jahre Auseinandersetzung
Diesen und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 16./17. Februar 2013. Darin außerdem: Verlernt die Medizin zu heilen? Eine Geschichte über Operationen am Herzen und das Gesundheitssystem. Und: Ein Gespräch mit der dänischen Sängerin Gitte Haenning. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Es war ein langer Weg nach Karlsruhe, besonders wütend machte sie 2009 die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts Hamm. „Das Kind soll in einer lebenstüchtigen Familie aufwachsen, in der es soziale Verhaltensweisen einübt, die ihm von einer weiblichen und männlichen Bezugsperson vorgelebt werden“, heißt es darin. Kindererziehung sei Aufgabe einer Familie aus Vater, Mutter und Kind. Sätze wie vom Papst. „Wir waren geschockt“, sagt Elisabeth Weise. Das Paar kämpfte weiter, am Dienstag werden sieben Jahre juristischer Auseinandersetzung ein Ende finden.
„Es ist uns egal, ob wir diskriminiert werden. Aber dass unsere Tochter benachteiligt wird, ist schrecklich“, sagt Elisabeth Weise. Wenn sich ihre Mütter trennen oder Cornelia Weise etwas zustößt, wäre nicht klar, bei wem Tanja leben würde.
Von einer solchen Benachteiligung homosexueller Paare wissen auch die Jugendämter. Christine Lindenmayer arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Stuttgarter Adoptionsstelle des Jugendamtes. Sie hat schon viele schwule und lesbische Paare beraten, die ein Kind adoptieren wollen. „Ich vermittle ihnen kein Kind, weil ich es rechtlich nur an einen der beiden anbinden kann“, sagt sie. Lindenmayer ärgert es, dass die Rechtslage ihre Arbeit so einschränkt. „Ich habe hier einige schwule Männer gehabt, denen hätte ich sofort mein eigenes Kind anvertraut.“ Sie hofft, dass die Richter in Karlsruhe die Sukzessivadoption für Homopaare zulassen. „Dass es zunächst nur um diesen Sonderfall geht, ist natürlich Quatsch. Wir brauchen das gemeinsame Adoptionsrecht für Schwule und Lesben“, sagt sie.
Eltern wollen es oft klassisch
In bestimmten Fällen können homosexuelle Paare als Adoptiveltern sogar besser geeignet sein als heterosexuelle. „Bei Kindern, die Missbrauchserfahrungen durch Männer gemacht oder viele gewalttätige Männer kennen gelernt haben, können Frauen als Eltern von Vorteil sein“, sagt Rodika Quilitz. Sie arbeitet für die Berliner Adoptionsstelle.
Prinzipiell werden die leibliche Eltern heute bei der Auswahl der Adoptiveltern einbezogen. „Sie wünschen sich in der Regel die klassische Familienkonstellation, einzelne könne sich gleichgeschlechtliche Adoptiveltern vorstellen“, sagt Quilitz.
Nicht jeder Adoptionsvermittler hat eine so positive Haltung gegenüber Schwulen und Lesben, viele glauben – wie der Papst –, zur Familie gehörten Vater und Mutter. Kinder in Regenbogenfamilien würden diskriminiert oder gar selbst schwul oder lesbisch. Wissenschaftlich belegt sind diese Vorurteile nicht. Im Gegenteil: Kinder aus Regenbogenfamilien gelten in der Regel als selbstbewusster, leiden kaum unter Hänseleien. Trotzdem ist das Adoptionsrecht für Homosexuelle für Konservative die letzte Bastion, die sie nicht einreißen lassen wollen.
Für Kinder einfacher als für Erwachsene
Die Gesellschaft ist da deutlich weiter, hat Cornelia Weise beobachtet. Ein Junge aus Tanjas Kindergarten fragte sie einmal, wer sie eigentlich sei. „Die andere Mama von Tanja“, sagte sie. Der Junge reagierte unbefangen. „Ich hab auch zwei Papas und zwei Mamas“, sagte er. „Die Kinder kennen heute so viele Modelle von Familie. Sie können damit oft viel besser umgehen als Erwachsene“, sagt Cornelia Weise.
Selbst haben sie bisher keine Diskriminierung im Miteinander erfahren, auch nicht ihre Tochter. Auf den medialen Rummel, der nach dem Urteil am Dienstag auf Tanja zukommen könnte, haben sie sie vorbereitet. „Wenn ihr jemand dumm kommt, will sie einfach fragen ’Und, haben deine Eltern schon einmal für irgendetwas gekämpft?‘“, sagt Cornelia Weise.
* Die Namen der Familie Weise wurden geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt