Adolf Sauerland in der Kritik: Der OB der Loveparade
Er ließ Warnungen vor einer Katastrophe an sich abprallen. Sauerland wollte Duisburg um jeden Preis in den Rang einer europäischen Metropole katapultieren.
Am Tag nach der Katastrophe sitzt Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland klein, unscheinbar, mit hochrotem Kopf und verängstigt vor Journalisten. Ein "entsetzliches Unglück" sei der Tod der 19 Menschen, die bei der Massenpanik der Loveparade ums Leben kamen. Den Familien der Toten, den über 340 Verletzten versichert der Christdemokrat "das Mitgefühl aller Duisburgerinnen und Duisburger".
Verantwortung aber will der 55-Jährige nicht übernehmen - weder für sich noch für seine Mitarbeiter. "Wir wissen, dass es Tote gab", windet sich der einstige Oberstudienrat auch über 19 Stunden nach dem Desaster. Die "Friktionen, Probleme, eventuellen Fehler", die 19 Raver das Leben kosteten, werde jetzt die Staatsanwaltschaft untersuchen. Deshalb, glaubt Sauerland, dürfe er jetzt nicht mehr sagen: "auch zum Schutz meiner Mitarbeiter".
Denn die dürften wie der OB selbst im Zentrum der Ermittlungen stehen. Geklärt werden muss, wer ignorierte, dass ein 120 Meter langer Tunnel zur Todesfalle werden kann - und ob politischer Druck zu dem Unglück führte: Die Loveparade galt als ein Highlight des Kulturhauptstadtjahrs 2010, mit dem sich das Ruhrgebiet in den Rang einer europäischen Metropole katapultieren wollte. "Ich betrachte die Loveparade als eine gute Gelegenheit, der Welt zu zeigen, wie weltoffen, tolerant und spannend unsere Stadt ist", tönte Sauerland schon fünf Wochen vor dem Mega-Event.
Der ehemalige Lehrer für Maschinenbau und Geschichte am Berufskolleg Uerdingen in Duisburgs Nachbarstadt Krefeld kämpfte deshalb hart dafür, dass die Loveparade an den Rhein kam, ließ Kritik etwa an zu hohen Kosten für die vor der Pleite stehende einstige Montan-Stadt an sich abperlen. Auch Warnungen nahm Sauerland nicht ernst: Bei Twitter, in Leserbriefen hatten nicht nur viele Raver, die bei früheren Loveparades dabei waren und die Location des alten Duisburger Güterbahnhofs kennen, vor der Enge im Tunnel gewarnt.
2010 aber sollten die Raver kommen - eine Absage im Kulturhauptstadtjahr sei eine "programmierte Blamage", kommentierte etwa die WAZ. Bürgermeister Sauerland, der Duisburg seit 2004 regiert, spricht trotzdem von einem "tragischen Unglück".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr