: Admiral sucht Konkursverwalter für die Nato
■ Elmar Schmähling, von Stoltenberg geschaßter Flotillenadmiral, war Stargast beim 4. Gröpelinger Friedensfest
Elmar Schmähling war am Sonntag der Stargast beim 4. Gröpelinger Friedensfest. In zivilem Sommeranzug (lässiges Sakko, blaue Hose) und mit offenem Hemdkragen forderte der von Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg wegen seiner zeitgemäß unzeitgemäßen Betrachtungen zur Abrüstung geschaßte Flotillenadmiral im Nachbarschaftshof Ohlenhof vor rund 100 GröpelingerInnen: „Waffen und Soldaten haben in unserer Welt keinen Platz mehr. Streitkräfte sind heute nichts weiter als ein eingebildetes Medikament gegen die eingebildete Krankheit 'Bedrohung‘.“
Zwischen wuselnden Kindern, nörgeligen Steppkes (Mama hatte ein zweites Stück Solidaritäskirschkuchen glatt verweigert) und aufmerksam lauschenden Ausgewachsenen übte der Admiral a.D., der im heimischen Meckenheim bei Bonn seit seinem Bundeswehr-Rausschmiß nach
eigenem Bekunden viel Zeit zum Nachdenken hat, scharfe Kritik an den gegenwärtigen Abrüstungsdiskussionen der USA und der Nato. Schmählings Kritik: Viel zu zaghaft, viel zu hinterlistig. Bis heute sei nicht erkennbar, daß US -Präsident Bush die veränderte politische Situation und die faktische Auflösung des Warschauer Pakts für ein neues weltweites Sicherheitssystem jenseits der Abschreckungsstrategie nutzen wolle. Schmähling: „Den USA geht es im Grunde nach wie vor um die Verwirklichung des uralten Traums von der militärischen Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion.“ Die US-Devise laute nach wie vor: „Vae victis - wehe den Besiegten!“ Dabei seien Rüstung und Soldaten inzwischen „politische Anachronismen, Fossilien“. Schmähling: „Die einzige Aufgabe, die der Nato bleibt, ist die eines Konkursverwalters, der das eigene Unternehmen auflöst.“
Unter Beifall der Versammelten schlug Schmähling einen 10 Punkte-Katalog für einen sofortigen Vertrag zwischen Nato und Warschauer Pakt vor. Wichtigste Forderungen: Beide Seiten verpflichten sich, ihre Militärbündnisse bis 1997 aufzulösen, ihre Streitkräfte in einem geordeneten Prozeß nach Hause zu schicken. Mit sofortiger Wirkung werden alle taktischen Atom-und sämtliche Chemiewaffen verboten. Groß -Manöver und Tiefflugübungen werden sofort eingestellt. Bis 1997 schrumpfen die Rüstungsetats um jährlich 10 Prozent. Die freiwerdenden Mittel werden mindestens zur Hälfte für Rüstungskonsversion zur Sicherung der Arbeitsplätze durch zivile Produktion und zur Eingliederung der entlassenen Soldaten ins Zivilleben verwendet.
Frieden, so der Admiral a.D., sei allerdings weit mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden sei der „friedliche, unbedingt ge
waltfreie Umgang von Menschen miteinander, Toleranz auch gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern und der Verzicht auf die Zerstörung der Natur in unserer immer noch männlich dominierten Welt.“ „Dieses Ziel dürfen wir nicht allein den Militärs, den Abrüstungsexperten, den Politikern überlassen. Jeder kann in seiner Familie, an seinem Arbeitsplatz, in seinem Umfeld den Anfang machen. Nur so können wir dafür sorgen, daß das reale Sicherheitsbedürfnis der Menschen von Politikern nicht mehr als still
schweigende Zustimmung zu ihrer Gleichung 'Sicherheit Militär‘ mißverstanden wird.“
Die Gröpelinger Friedensaktivisten hatten in diesem Jahr zum vierten Mal ihre Nachbarn zum Friedensfest eingeladen. In den letzten Jahren hatten Ex-Bürgermeister Hans Koschnick und Pastor Heinrich Albertz die Hauptreden in dem bunten Programm aus Musik, Friedenstexte-Lesungen, Podiumsdiskussionen und Soli-Salate-Buffets (Reinerlös für amnesty international) beigesteuert.
K.S.
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