Achse des Bösen: Bush erwägt Treffen mit Kim Jong Il
Washington, um außenpolitische Erfolge bemüht, lobt den "Schurkenstaat" für Transparenz bei Atomanlagen. Sogar über ein Treffen mit Kim Jong Il wird nachgedacht.
PEKING taz Die USA wollen in den nächsten Tagen 50.000 Tonnen Schweröl nach Nordkorea schicken - als Belohnung dafür, dass Pjöngjangs Machthaber Kim Jong Il und seine Militärs amerikanischen, chinesischen und russischen Kontrolleuren Zutritt zum Atomreaktor Yongbyon gewährt haben. Das wurde gestern in Washington bekannt.
Die Inspektoren durften, wie das US-Außenministerium berichtete, bei ihrem Besuch der 5-Megawatt-Anlage "alles sehen, was sie sehen wollten". Auch China wird 50.000 Tonnen des dringend für die Kraftwerke des Landes benötigten Schweröls nach Nordkorea transportieren.
Dies wäre die dritte internationale Öllieferung an Pjöngjang seit Februar dieses Jahres: Damals hatten sich die Unterhändler bei den Pekinger Sechsparteiengesprächen darauf geeinigt, dass Nordkorea als Gegenleistung für wirtschaftliche Hilfen seine Atomanlagen abbaut. Gleichzeitig war vereinbart worden, dass Nordkorea und die USA ihr Verhältnis normalisieren. Als letztes Ziel stehen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und ein Friedensvertrag und damit das formale Ende des Koreakrieges (1950-53) auf dem Programm.
Die Öltanker sollen allerdings erst Kurs auf Nordkorea nehmen, wenn die nordkoreanischen Diplomaten die Liste aller Atomanlagen offenlegen. Das könnte schon bei der nächsten Runde der Sechsparteiengespräche sein,die in wenigen Tagen in Peking anfangen sollen. Ein genauer Termin ist noch nicht bekannt.
Amerikanische und chinesische Diplomaten haben in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass die Nordkoreaner ernsthafter als in der Vergangenheit verhandelten und mittlerweile bereit zu sein scheinen, ihre Versprechen zu halten.
Gleichzeitig hat sich die Haltung der USA deutlich geändert: Washington lehnt es nicht mehr kategorisch ab, die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea aufzuheben und mit Kim Jong Il über einen Friedensvertrag zu sprechen. Man sei dabei, "eine gemeinsame Herangehensweise zu diesen Gesprächen zu entwickeln", sagte Alexander Vershbow, US-Botschafter in Seoul, in dieser Woche.
Sogar ein Gipfeltreffen zwischen dem Nordkoreaner Kim und dem Amerikaner George W. Bush schloss Vershbow nicht aus. Zur Erinnerung: Bush hatte den Despoten noch nicht vor langer Zeit als "Schurken" und "Pygmäen" beschimpft. Eine Begegnung könnte "vor dem Ende der Amtszeit von Präsident Bush möglich werden, wenn Nordkorea die richtigen Entscheidungen trifft und bereit ist, aufs Ganze zu gehen", erklärte der US-Diplomat.
Es wäre allerdings "ein Fehler", wenn die Nordkoreaner glaubten, internationale Hilfe und diplomatische Anerkennung als Gegenleistung für "halbherzige Schritte" beim Abbau ihrer Atomanlagen bekommen zu können. Vershbow: "Die große Herausforderung, ihre Atomwaffen wirklich loszuwerden und ihre Atomprogramme zu beenden, liegt noch vor uns."
Damit ist der Knackpunkt klar: Werden die Nordkoreaner bereit sein, nicht nur ihre Nuklearanlagen zu verschrotten, sondern auch ihre Atombomben? Experten gehen davon aus, dass Kim und seine Militärs auf mittlerweile 8 bis 10 Bomben sitzen. Eine erste wurde im Oktober 2006 getestet.
Peking hält sich mit Reaktionen auf das jüngste Tauwetter bislang zurück. Doch die Entspannungssignale sind im Sinn der direkten Nachbarn Nordkoreas, Chinas, Südkoreas und Russlands. Sie streben eine behutsame Öffnung des verarmten nordkoreanischen Nachbarn an und wollen um jeden Preis einen gewaltsamen Zusammenbruch des Kim-Regimes verhindern, weil dieser die ganze Region destabilisieren könnte.
Nur wenn die USA Nordkorea diplomatisch anerkennen, werden internationale Finanzorganisationen wie die Weltbank bereit sein, mit ihren Krediten die marode Infrastruktur zu modernisieren und Eisenbahntrassen und Kraftwerke zu bauen. Gleichzeitig nähern sich die Regierungen Nord- und Südkoreas an: Vom 2. bis 5. Oktober soll in Pjöngjang ein zweiter Nord-Süd-Gipfel stattfinden. Südkoreas Präsident Roh Moo-hyun will in einem Autokonvoi über die Grenze von Panmunjon nach Pjöngjang reisen. Sein Ziel ist es, Kim zu Zugeständnissen zu bewegen. So sollen sich etwa die getrennten Familien öfter begegnen und endlich Züge den 38. Breitengrad überqueren können.
Kim wird sich seine Bereitschaft, Roh zu empfangen, teuer bezahlen lassen. Er hat erkannt, dass er sein Regime ohne Hilfe von außen nicht mehr lange halten kann. Gleichzeitig will er verhindern, dass bei den nächsten Präsidentenwahlen in Südkorea ein Scharfmacher an die Macht kommt.
Offen ist allerdings, wie die mächtigen Militärs von Pjöngjang auf die Entspannung reagieren. Ihnen ist es in der Vergangenheit immer wieder gelungen, das Land abzuschotten und Reformen zu stoppen. Die Kontrollen an der Grenze zu China wurden verschärft. Gleichwohl gelangten in letzter Zeit immer mehr Informationen und Schmuggelware nach Nordkorea. Südkoreanische TV-Seifenopern auf DVDs werden von Hand zu Hand gereicht. Auf den privaten Märkten Pjöngjangs und anderer größerer Städte sollen südkoreanische Produkte, die meist über den Umweg China ins Land kommen, besonders begehrt sein.
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