piwik no script img

Abtimmung auf CDU-ParteitagKnappes Nein zu Embryo-Auswahl

Auf dem CDU-Parteitag wurde lange gestritten, am Ende gab es ein hauchdünnes Nein zur Präimplantationsdiagnostik. Realpolitissch hat das Votum keine Auswirkung.

Knappe Entscheidung: Abstimmung zur Präimplantationsdiagnostik beim CDU-Parteitag. Bild: dpa

Es war die Debatte, die Angela Merkel unbedingt wollte. Der Parteitag diskutierte fast Stunden, sachlich und mit Verve, über die Präimplantationsdiagnostik (PID). Gegner und Befürworter stritten, ohne die entgegengesetzte Position zu diffamieren. So will die CDU gesehen werden: als Partei, die eine ernsthafte moralische Debatte über den Wert des Lebens, die Grenzen der Technik führt. CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus lobte "die tolle Debatte, die uns auch nützt".

Deshalb hatte Merkel am Montagabend eigens die Tagungsleitung zusammengestaucht, die die PID-Debatte in gut einer Stunde am Abend noch über die Bühne bringen wollte. Der Parteitag war damit eigentlich einverstanden, aber Merkel ließ nicht locker. Sie wollte eine Debatte am Dienstag ohne Redezeitbegrenzung:

"Das ist mein Vorschlag, und das wird jetzt auch so gemacht", herrschte sie den verschüchtert wirkenden Tagungsleiter an. Die Partei folgte ihrer Chefin, wie immer. Es war ein Moment, in dem man sah, was es neben dem Bild der freundlichen, stets konsensorientierten Kanzlerin auch noch gibt.

Die Debatte brachte allerdings auch den Rest von Eigensinn der Partei zum Vorschein. Denn die Parteispitze wollte die Entscheidung nach der Debatte am liebsten vertagen. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller und Bundestagspräsident Norbert Lammert durften, strategisch als letzte Redner platziert, dafür plädieren - doch der Parteitag wollte nach vier Stunden keine reine Pseudodebatte geführt haben.

Realpolitisch hat das Votum des Parteitags ohnehin keine Auswirkung. Der Fraktionszwang in der PID-Frage ist aufgehoben. Die Entscheidung fiel mit 51,1 zu 48,9 Prozent für die Beibehaltung des Neins zur PID denkbar knapp aus.

Die Diskussion lief quer zu den üblichen Grenzen in der CDU. Peter Hintze und Ursula von der Leyen plädierten energisch für eine Lockerung des PID-Verbots. Hintze fragte, warum Untersuchungen im Mutterleib erlaubt seien, aber in der Petrischale verboten bleiben sein sollen. PID sei in vielen EU-Ländern erlaubt, von nirgendwo sei leichtfertiger Missbrauch bekannt.

Wer von Designerbabys rede, so Hintze, habe von den Qualen, die Pränataldiagnostik für die Frauen bedeute, keine Ahnung. Auch von der Leyen machte die Perspektive der Eltern mit defektem Erbgut stark, die oft schon Totgeburten erlebten oder schwerbehinderte Kinder haben und sich "sehnsüchtig ein Kind wünschen".

Auf der anderen Seite plädierte Julia Klöckner, CDU-Chefin in Rheinland- Pfalz, dafür, beim Totalverbot, das auch im Grundsatzprogramm der CDU von 2007 fixiert ist, zu bleiben. Klöckner argumentierte, dass bei PID das Ja zur Einpflanzung von Embryonen das Nein zu vielen anderen bedeutet. Jedes Kind sei "ein Geschenk Gottes", die Würde des Lebens gebe es bedingungslos und auch schon in der Petrischale. Außerdem sei zu befürchten, dass der Druck auf Eltern wachse, die behinderte Kinder haben, wenn man diese ja fortan technisch verhindern könne.

Der CDU-Parlamentarier Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung und Vater eines behinderten Sohns, plädierte vehement für eine Beibehaltung des Verbots, weil sonst ein Dammbruch drohe. Zudem, so andere Unterstützer eines PID-Verbots, würden, weil PID eine unsichere Methode sei, die Zahl der Abtreibungen nicht sinken, sondern steigen. In Deutschland wären etwa 200 Paare von PID betroffen.

Angela Merkel hatte sich, ohne in die Debatte argumentativ einzugreifen, für ein PID-Verbot ausgesprochen. Debatte und Abstimmung sind ein Erfolg für sie. Die CDU hat sich als christliche, wertorientierte Partei profiliert - das passt zu Merkels neukonservativem Image.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • KH
    Karin Haertel

    Ich waere auch gerne so gesund wie die Nein-Sager. Bin ich aber nicht und so muessen sich meine Eltern -und bestimmt auch viele andere - den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Schuld daran haben. Viele der Abstimmenden - voran unsere Kanzlerin - sind doch bereits jenseites jenen Alters, in dem sie das noch betreffen koennte.

  • TK
    Tilman Kluge, Bad Soden Ts.

    m Grunde ist es egal, wie die Abstimmung heute ausgegangen war. Denn Parteitagsbeschlüsse, die diametral dem CDU-Grundsatzprogramm (hier Ziff. 231) widersprechen, wären nichtig. Das Grundsatzprogramm - zumal als im Parteiengesetz verankertes Institut - stellt eine gegenüber Sachbeschlüssen einzelner Parteitage eine höherrangigere Programmatik dar. Und die PID-Befürworter haben die konsequenterweise vorher (!) vorzunehmende Grundsatzprogramm-Änderung nicht beantragt, so daß sie in Karlsruhe auch nicht zur Debatte stand. Besonders zwiespältig ist hierbei Peter Hintze. Er hatte der Contra-PID-Programmatik der CDU auf dem Parteitag 2007 in der Schlussabstimmung zugestimmt. Es gab wenige Enthaltungen und zwei Gegenstimmen. Mit Hintzes Geschichtsbewußtsein kann es nicht weit her sein, wenn er das nach 3 Jahren schon wieder vergessen haben sollte. Und wenn Hintze, wie stellenweise zu lesen, vieles nicht versteht, wird er ebenso nicht begriffen haben, daß auch der BGH nicht gleichzeitg mit seiner Entscheidung pro PID das CDU-Grundsatzprogramm geändert hat. So ist es dann auch

    nur zu verständlich, daß Hintze, kaum ist der Parteitag vorbei, nachkartet, ein rechtliches PID-Verbot käme trotz Parteitagsvotum dennoch nicht zustande.

  • V
    vic

    Vorweg: Ich bin kein Christ und auch sonst nichts. Nur ein Mensch.

     

    Ich halte die Entscheidung der Christdemokraten jedoch für absolut scheinheilig, einen Embryo im Mutterleib zur Tötung freizugeben, anstatt allen Beteiligten durch PID im Vorfeld diese schwere Entscheidung zu ersparen.

    Wer sein "nicht perfektes" Kind gebären möchte, kann es in beiden Fällen tun.