piwik no script img

AbschiebungDie syrische Polizei wartet schon

Obwohl das Bundesinnenministerium davor gewarnt hat, schiebt Niedersachsen Flüchtlinge nach Damaskus ab. Dort sind die ersten schon verhaftet worden - sie hätten "das Ansehen Syriens beschädigt".

Februar 2009: Yezidische Kurden demonstrieren gegen ihre Abschiebung. Bild: dpa

Neun Jahre ging Abrahim Bakro alle paar Monate denselben Gang. Von der Oldenburger Innenstadt zur Ausländerbehörde im Kloster Blankenburg, einige Kilometer weiter südlich. Hier bekam der 36-jährige Syrer den Stempel, der ihm bescheinigte, noch einige weitere Monate in Deutschland "geduldet" zu werden. Am vorletzten Dienstag ging Bakro zum letzten Mal dorthin: Statt seiner Sachbearbeiterin erwarteten ihn zwei Kripo-Beamte in Zivil, die ihn in das Abschiebegefängnis Langenhagen brachten.

Dort saßen schon drei weitere Syrer, unter ihnen der 21-jährige Yezide Faruk Issa, der seit sechs Jahren in Wilhelmshaven lebt. Auch er wurde zwei Tage zuvor auf der dortigen Ausländerbehörde festgenommen, als er seine Duldung verlängern lassen wollte.

Wärter drohten mit Arrest

Für die vier war klar: Nach Damaskus zurück wollten sie auf keinen Fall. Am Freitag, den 25. Juni traten sie in Hungerstreik. "So wollten sie sich gegen ihre Abschiebung wehren", sagt Karim Al Wasiti vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat, der Bakro und Issa betreut. Doch die Aktion währte nur kurz: Nach drei Tagen brachen die Gefangenen den Streik ab. "Die Wärter haben ihnen gedroht, sie in Arrestzellen zu sperren. Das hat ihnen Angst gemacht", sagt Al Wasiti. Diese seien im Kellergeschoss und "eigentlich für Leute gedacht, die durchdrehen und eine Gefahr darstellen". Dabei sei ein Hungerstreik in der verzweifelten Lage der vier "ihr gutes Recht".

Genutzt hat es zumindest Bakro nichts: Am letzten Montag flogen zwei Bundespolizisten mit ihm von Frankfurt nach Damaskus. Die anderen Syrer sollen in den nächsten Wochen abgeschoben werden. "Es ist ein Skandal, dass man mit solchen Zwangsmaßnahmen den passiven Widerstand brechen will", sagt eine Sprecherin der Medizinischen Flüchtlingssolidarität Hannover, die Issa im Gefängnis besucht hat. Die Leitung der JVA war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Viele Tausend Angehörige der yezidischen Minderheit flüchteten seit den 1990er Jahren vor dem Regime der Al-Assad Dynastie nach Deutschland. Als asylberechtigt anerkannt wurde kaum einer, doch lange nahm Syrien die Flüchtlinge nicht zurück. Seit dem letzten Jahr ist das anders: Da unterzeichnete Syrien ein "Rückübernahmeabkommen". Jetzt sollen rund 7.000 SyrerInnen, die teils seit vielen Jahren hier leben, dorthin zurück.

Die ersten Abschiebungen nach Damaskus endeten damit, dass Flüchtlinge verhaftet wurden, weil sie mit ihrem Asylantrag das "Ansehen Syriens beschädigt" hätten. Amnesy International weist seit Jahren daraufhin, dass Syrien systematisch foltert. Allein 2008 seien fünf Menschen dort im Gefängnis gestorben. Selbst das Bundesinnenministerium, das das Abkommen ausgehandelt hatte, forderte daraufhin die Länder auf, mit Abschiebungen nach Syrien vorsichtig zu sein.

Wie im Schockzustand

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann beeindruckte das offenbar nicht. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass er darauf verzichten will, die schätzungsweise 1.500 geduldeten Syrer in Niedersachsen so schnell wie möglich abzuschieben.

"Wir sind wie in einem Schockzustand", sagt derweil Bakros Bruder Issam. Auch er lebt in Oldenburg, hat dort studiert. Gemeinsam mit Bakros deutscher Freundin habe er die Wohnung seines Bruders ausgeräumt. Mit den Abschiebungen abfinden wollen sie sich nicht: Bakros Freundin habe in den letzten Tagen ihren ersten Reisepass beantragt. Mit ihm will sie nach Damaskus reisen und ihren Freund dort heiraten, damit er nach Oldenburg zurückkommen kann. Auch der Bruder von Faruk Issa hat noch Hoffnung: Für Donnerstag hat er eine Demonstration vor dem Rathaus in Wilhelmshaven organisiert. "Da werden alle seine Freunde und Bekannten kommen und fordern, dass er hier bleiben darf."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • K
    Kris

    Wenn ich diese Kommentare hier lese wird mir übel und ich schäme mich. Immer habe ich dazu gestanden, Deutsche zu sein, ich sage immer, mit dem, was in der Geschichte passiert ist habe ich nichts mehr zu tun. Es war furchtbares Unrecht, keine Frage.

     

    Aber solche Äußerungen wie von Andreas und Eric Petersen machen mich wütend.

     

    Es wäre so schön wenn manch Einer Unterschiede zwischen Menschen oder Sachverhalten machen würden. Es sind nie "die Türken", "die Polen", "die Deutschen", das habe ich schon als Kind gehaßt.

     

    Es sind hier keine Herz-Schmerz Geschichten. Informiert Euch zuerst, bevor ihr solche Kommentare abgebt. Wir erleben zur Zeit in unmittelbarer Nachbarschaft einen solchen Fall. Es sind immer Kinder die Leidtragenden, dabei können sie nicht für ihre Herkunft. Die meisten kennen Syrien nicht, sie sprechen diese Sprache nicht. Die Kinder , die wir kennen sind zwischen 7 und 12 Jahren. Ich habe versucht, sie zu beruhigen, es ist mir nicht gelungen.

     

    Habt ihr Kinder? Kann es richtig sein, das Kinder in diesem Alter sich mit Themen wie Gefängnis und Folter befassen, weil sie wissen, das es ihnen bald so passieren kann?

     

    Ich heiße bei Weitem vieles nicht Richtig, was hier in Deutschland passiert. So viele nutzen den Staat und uns derart unverschämt aus und wir zahlen dafür. Sie leben nach Eheschließung hier oft von Hartz IV. Nach 2 Jahren kommt die Scheidung und die Jungfrau aus dem Heimatland. Diese und die folgenden Kinder leben dann natürlich von HARTZ IV. Da müßte etwas geschehen, aber bitte differenziert. Hier wird noch gefoltert, hier werden die einfachsten Menschenrechte verletzt und wir schuaen w e g!!!

  • AF
    Auto Fan

    Es ist erschütternd, wie der deutsche Staat mit Menschen umgeht und wie viele Bürger das auch noch gutheißen. Es ist unmenschlich und unchristlich, was hier geschieht. Es ist gut, dass es Menschen gibt, die das aufdecken und noch besser, dass es Menschen gibt, die dagegen vorgehen.

  • A
    Andreas

    Ich, was wollen Sie uns mit Ihrem Kommentar sagen. Er hat um Asyl nachgesucht und es wurde nicht gewährt. Dies wurde sicher auch gerichtlich überprüft. Ich sehe nicht wo ein Recht verletzt wurde. Es ist schließlich auch Syriens verdammte Pflicht und Schuldigkeit eigene Staatsbürger zurückzunehmen. Er darf auch Syrien wieder verlassen. Mit Schengenvisum wird es wohl nichts aber es gibt noch ganz viele andere Länder auf der Welt. Ich sehe allerdings immer noch nicht was Sie uns sagen wollen.

  • H
    HUHU

    @Ich.

     

    Das zählt aber nur für deutsche. Und ist somit für Ausländer unwirksam!

  • G
    gegenspiegel

    Wo will man eine gerechte Grenze ziehen, wer hier bleiben darf und wer abgeschoben wird? Natürlich fühlt sich jeder Abgeschobene ungerecht behandelt. Aber die, die hier Aufenthalt bekommen, zeigen oft nicht die geringste Achtung oder auch Dankbarkeit gegenüber dem Land, das sie aufgenommen hat.Deshalb hält sich mein Mitgefühl mittlerweile in Grenzen.

  • A
    Anti

    @Eric

     

    Man soll den Menschen ja nichts schlechtes wünschen.

     

    Aber dir wünsche ich, dass du dich für einen Moment mal so fühlst wie einer der Abgeschobenen.

     

    Wie es ist, immer nur geduldet zu sein.

     

    Wie es ist, aus einem Leben, das man sich aufgebaut hat, herausgerissen zu werden..

     

    Wie es ist, die sichere Folter zu erwarten.

  • EP
    Eric Petersen

    Das ist ja wieder eine Herz - Schmerz Geschichte.

    Wenn seine deutsche Freundin ihn in Syrien schon wieder abholen will, kann er bereits nicht mehr im dortigen Knast sein !

    Ich wünsche auch dem Rest eine gute Heimreise.

  • I
    Ich

    Die Menschenrechte:

     

    Artikel 2

     

    Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

     

    Artikel 3

     

    Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

     

     

     

    Artikel 5

     

    Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

     

    Artikel 6

     

    Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden.

     

    Artikel 7

     

    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.

     

    Artikel 8

     

    Jeder hat Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei den zuständigen innerstaatlichen Gerichten gegen Handlungen, durch die seine ihm nach der Verfassung oder nach dem Gesetz zustehenden Grundrechte verletzt werden.

     

    Artikel 9

     

    Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden.

     

    Artikel 13

     

    1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.

     

    2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

     

    Artikel 14

     

    1. Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.

     

    Artikel 15

     

    1. Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit.

     

    2. Niemandem darf seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen noch das Recht versagt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln.

     

    Artikel 28

     

    Jeder hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.