Absage von Norwegens Strahlenschutzbehörde: Thorium ist auch keine Lösung
Norwegen gibt Pläne zum Bau eines Thorium-Reaktors auf, nachdem eine Studie gezeigt hat: Sicher und sauber wird Atomkraft auch mit dem nichtspaltbaren Brennstoff nicht.
Dass man von Thorium-Reaktoren die Finger lassen sollte, weiß man in Deutschland spätestens seit dem kostspieligen Fiasko mit dem Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) im westfälischen Hamm. Jetzt ist auch Norwegen so weit. Die dortige Strahlenschutzbehörde Statens Strålevern erteilt allen Plänen für den Bau eines Thorium-Reaktors eine Absage. Sowohl Umweltminister Erik Sohlheim als auch Wirtschaftsministerin Sylvia Brustad schließen sich dem an.
Die rot-grüne Regierung in Oslo hatte 2007 bei Statens Strålevern eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Damals hatte die starke Thorium-Lobby eine Debatte über die vermeintlichen Vorteile dieser Technik gestartet, die auch die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Statkraft veranlasste, Interesse für einen Reaktor zu signalisieren. Norwegen verfügt vermutlich über die drittreichsten Thorium-Vorkommen der Welt.
Nach geltender Rechtslage wäre ein solcher Bau allerdings nicht möglich. Das norwegische Parlament hat den Bau von Atomkraftwerken vor 30 Jahren gesetzlich verboten. Und dabei dürfte es nach dem jetzigen Urteil der Strahlenschutzbehörde wohl auch bleiben. In ihrem Rapport untersucht Statens Strålevern den gesamten Thorium-Brennstoffkreislauf von der Gewinnung bis zur Atommülllagerung. Ergebnis: "Konventionelle Reaktoren, gleich ob sie auf Uran- oder Thorium-Brennstoff beruhen, führen zu einer radioaktiven Belastung von Luft und Wasser, in beiden Fällen besteht ein erhebliches Unglücksrisiko, speziell im Hinblick auf unkontrollierte Kettenreaktionen und im schlimmsten Fall eine Kernschmelze."
Reaktoren, die mit Thorium betrieben werden, hätten damit vergleichbar schädliche Umweltkonsequenzen und ein ähnliches Gefahrenpotenzial wie solche mit Uranbrennstoff. Von Thorium-Befürwortern wird gerade die vermeintliche Sicherheit vor einer Kernschmelze als Argument ins Feld geführt. Das aus dem Mineral Thorit gewonnene radioaktive Metall Thorium ist nicht spaltbar. Thorium als Brennstoff müssen daher von außen Neutronen zugeführt werden, um die Energie produzierende Kettenreaktion zu starten und in Gang zu halten. Wird diese eingestellt, stoppt auch die Reaktion.
Laut Strahlenschutzbehörde bedeutet das aber keinesfalls, dass es kein Unfallrisiko bis hin zu einer Kernschmelze gibt. Auch für die Nachwärmeabfuhr seien funktionierende Kühlsysteme erforderlich: "Die Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze ist bei Uran- oder Thoriumbrennstoff gleich zu beurteilen."
Ein Thorium-Reaktor produziere zwar weniger und weniger langlebigen Atommüll als ein AKW mit Uranbrennstäben. Dieser sei auch stabiler als konventioneller Atommüll. Dafür strahle er stärker, was Transport und Lagerung kompliziert.
Entscheidend sei aber, so die Studie, dass auch die Thorium-Technik das Atommüllproblem nicht löse. Hinzu komme auch beim Betrieb des Reaktors eine viel stärkere radioaktive Strahlung. Auch sicherheitstechnisch biete die Thorium-Nutzung kaum Vorteil: Zwar fielen nur geringe Mengen Plutonium an, und dieses sei auch für die Produktion von Atomwaffen nicht besonders interessant. Doch in der Hand von Terroristen könne auch ein Thorium-Reaktor für "nichtfriedliche Zwecke" benutzt werden.
Nicht viel besser fällt das Urteil für das bislang nur auf dem Papier bestehende Thorium-Konzept Accelerator Driven System (ADS), eine Kombination aus einem Teilchenbeschleuniger und einem bleigekühlten Reaktor, aus. Zwar sei die Gefahr einer Kernschmelze hier tatsächlich gering, heißt es. Die 8.000 bis 10.000 Tonnen Metall seines Bleikühlsystems könnten die Nachwärme aus dem Kern vermutlich absorbieren. Doch sei eine solche Konstruktion aufgrund der Kombination mit einem Teilchenbeschleuniger insgesamt störungsanfälliger. Zugleich komme es zu einer radioaktiven Verstrahlung des gesamten Kühlsystems. Zudem ist auch völlig unklar, ob diese Technik in 20 oder 30 Jahren zu ökonomisch vertretbaren Kosten verwirklicht werden könnte.
"Die Thorium-Debatte dürfte nun ein abgeschlossenes Kapitel sein", glaubt Nils Bøhmer, Atomexperte bei der Umweltschutzorganisation Bellona: "Hoffentlich beschäftigt sich die Politik jetzt mit wirklichen Lösungen der Klimaproblematik."
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