Abrüstungsvertrag: Putin droht mit Kündigung
In Protest gegen die Raketenabwehrpläne der USA will Russlands Präsident den INF-Vertrag über Mittelstreckenraketen von 1987 auflösen. Die USA bleiben unbeeindruckt.
GENF taz Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit der Aufkündigung des 30 Jahre alten INF-Mittelstreckenwaffen-Vertrages mit den USA gedroht, sollte die Bush-Administration ihre Absicht zum Bau von Raketenabwehranlagen in Polen und Tschechien umsetzen. Putin machte seine Drohung am Freitag in Noro-Awagewo bei Moskau zum Auftakt von Gesprächen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Robert Gates über Washingtons Raketenabwehrpläne - nachdem er Rice und Gates zunächst 40 Minuten lang hatte warten lassen.
Im Anfang Dezember 1987 von den damaligen Präsidenten Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichneten INF-Vertrag (Intermediate nuclear forces) verpflichteten sich die USA und die Sowjetunion zur "Verschrottung sämtlicher atomarer Mittelstreckenraketen kürzerer und längerer Reichweite" (500-5.500 Kilometer). Unter dieses bis Anfang der 90er-Jahre von beiden Seiten vollständig umgesetzte Abkommen fielen unter anderem die damaligen SS-20-Raketen der UdSSR sowie die Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles, die die Nato nach zunächst erfolglosen Rüstungskontrollverhandlungen mit Moskau ab Ende 1983 in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Italien, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien stationiert hatte. Putin erklärte, für Russland sei die weitere Bindung an den bislang lediglich bilateralen INF-Vertrag "problematisch", wenn dieser künftig nicht auf andere Länder und damit zu einem "wahrhaft universalen Vertrag ausgeweitet" werde. Denn bislang, so der russische Präsident, hätten "Länder unmittelbar an unserer Grenze das Recht, derartige Mittelstreckenraketen zu entwickeln, was sie auch tun".
Diese Feststellung Putins zielte zum einen auf Iran, das inzwischen über einsatzfähige Raketen mit Reichweiten von über 2.000 Kilometern verfügt - allerdings bislang ausschließlich mit konventionellen Sprengköpfen. Aber auch die Raketen, die die USA im Rahmen der geplanten Abwehranlage in Tschechien stationieren wollen, würden in die Kategorie der Mittelstreckenraketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern fallen. Bislang ist nicht bekannt, ob Washington die Abwehrraketen nur mit konventionellen oder auch mit atomaren Sprengköpfen ausrüsten will.
Am Freitag sagte US-Außenministerin Rice, die US-Regierung sei an russischen Vorschlägen interessiert, wolle auch "versuchen Wege zu finden, zu kooperieren", halte aber an ihrem Vorhaben fest, den Raketenschild in Polen und Tschechien zu errichten. "Es gibt zwischen uns einige Meinungsverschiedenheiten. Aber wir werden unsere Kraft dafür einsetzen, sie zu überwinden", sagte Rice.
Nach dem Treffen mit Putin wollten Rice und Gates mit ihren Amtskollegen Sergei Lawrow sowie Anatoli Serdjukow zusammenkommen.
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