Abgestürzter Air-France-Airbus: Keine schnelle Aufklärung erwartet
Die französischen Ermittler des Airbus-Absturzes haben Zweifel daran, ob die Flugschreiber je gefunden werden. Im Absturzgebiet gebe es Unterwasser-Gebirge in großer Tiefe.

FERNANDO DE NORONHA afp/dpa Die französischen Unfallermittler haben wenig Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung des Absturzes des Air-France-Airbus über dem Atlantik. "Wir können uns nicht erlauben zu spekulieren", sagte am Mittwoch der Direktor des Amts für Unfallanalysen BEA, Paul-Louis Arslanian, in Paris.
In dem Absturzgebiet gebe es "unterirdische Gebirge" in sehr großer Wassertiefe. Wahrscheinlich liege das Wrack in sehr zerklüftetem Gebiet. Möglicherweise würden die Flugschreiber deshalb nie gefunden, sagte er. "Ich habe keine Zweifel daran, dass die Flugschreiber den Absturz überstanden haben. Es geht aber darum, ob wir sie finden und ob sie aufschlussreiche Informationen liefern."
Vier Teams ermitteln wegen des Unfalls. Eine Gruppe sucht im Meer nach Trümmern. Die zweite analysiert die Wartung und Geschichte des Flugzeugs. Das dritte Team überprüft Einsatz und Nutzung und das vierte die Ausrüstung der Maschine. 20 Mitarbeiter der BEA und 30 Experten der Air France und des Herstellers Airbus sind laut BEA am Werk. Die Experten von Airbus und Air France werten in Brasilien die Funkgespräche der Piloten und die Radar-Bilder aus.
Nachdem Gewissheit über den Absturz der Air-France-Maschine vor Brasilien herrscht, sollten die Bergungsbemühungen am Mittwoch ausgeweitet werden. Marineschiffe wurden am Mittwoch in dem Seegebiet erwartet, weitere Flugzeuge der brasilianischen Luftwaffe sollten die Suche nach Wrackteilen und Leichen aufnehmen. Brasiliens Verteidigungsminister Nelson Jobim erklärte, geortete Trümmerteile stammten von der vermissten Maschine.
Ein erstes Schiff der brasilianischen Marine wurde am Morgen erwartet. Es sollte zu drei Frachtschiffen aus Frankreich und den Niederlanden dazustoßen, die Kurs auf das Seegebiet rund 500 Kilometer nordöstlich der Insel Fernando de Noronha genommen hatten, in dem zuvor die Wrackteile geortet worden waren. In der Nacht hatte eine Maschine der brasilianischen Luftwaffe die Wasseroberfläche mit Nachtsichtgeräten abgesucht. Drei Maschinen wurden am Morgen erwartet.
Minister Jobim sagte am Dienstag vor Journalisten in Rio de Janeiro, die georteten Wrackteile stammten von dem seit Montag vermissten Airbus der Air France. Daran gebe es "keinen Zweifel". Militärflugzeuge hätten über eine Strecke von fünf Kilometern verstreute Wrackteile gefunden. Dies bestätige, dass das Flugzeug an dieser Stelle abgestürzt sei. Zuvor hatte Jobim in einem Hotel Angehörige der Insassen des Air-France-Fliegers besucht.
Die brasilianische Luftwaffe hatte zuvor bereits den Fund kleiner Trümmerteile und eines Flugzeugsitzes im Wasser gemeldet, deren Herkunft war jedoch zunächst unklar. Auch Öl- und Kerosinspuren wurden in dem Seegebiet nordöstlich der im Atlantik gelegenen Inselgruppe Fernando de Noronha gefunden.
Die Fundstelle der kleinen Trümmerteile entsprach ungefähr dem Ort, von dem aus der Airbus am Montag automatisch den Ausfall mehrerer Geräte sowie einen Druckabfall meldete. Der Fundort könnte darauf hinweisen, dass der Unglücksflieger wegen eines Problems versuchte, nach rechts abzudrehen, sagte Brasiliens Luftwaffensprecher Jorge Amaral in Brasilia. "Vielleicht hat er versucht, nach Fernando de Noronha zurückzufliegen."
Mit Unterstützung der USA, Frankreichs und Spaniens hatten Flugzeuge der brasilianischen Luftwaffe seit Montag im Atlantik nach Spuren der Maschine gesucht. Dass es Überlebende unter den 228 Insassen geben könnte, schloss Amaral aus. An Bord waren laut Air France 26 Deutsche, darunter nach Konzernangaben auch ThyssenKrupp-Steel-Vorstandsmitglied Erich Heine.
Frankreich wird die Untersuchung des Unglücks in Kooperation mit Brasilien leiten. Am Freitag und Samstag sollten zwei französische Militärschiffe das Seegebiet der Absturzstelle erreichen. Nach Angaben des Verkehrsministeriums in Paris will Frankreich auch ein U-Boot mit zwei Unterseerobotern entsenden, die in eine Tiefe von bis zu 6000 Metern vorstoßen können.
Die Air-France-Maschine hatte in der Nacht zum Montag gut drei Stunden nach dem Start in Rio de Janeiro ein Dutzend automatischer Fehlerwarnungen gesendet. Laut Fillon zeigen diese, dass "alle Systeme während drei Minuten außer Betrieb waren". Air France hatte davor vom Ausfall "mehrerer Apparate" gesprochen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "bestürzt" über den mutmaßlichen Flugzeugabsturz. Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula Da Silva brachte sein Mitgefühl für die Angehörigen zum Ausdruck. Vizepräsident José Alencar erklärte eine dreitägige Staatstrauer ab Dienstag. Die französische Nationalversammlung gedachte der Vermissten mit einer Schweigeminute. Papst Benedikt XVI. erklärte, seine Gedanken seien bei den Angehörigen.
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