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AbgelästertLesbe goes bi

■ Mein kurzer Abend auf der Bi-Party

Es hätte ein angenehmer, vergnüglicher Abend bleiben können. Ich hätte mich nicht so aufregen müssen. Über Klischees, über gepriesene Vielfalt und darüber, dass mein ästhetisches Empfinden beleidigt wurde. Nein, ich musste ja unbedingt vom Sofa runter, um mit einer Freundin auf die Bisexuellen-Party zu stöckeln.

Ausgerechnet. Aber Bisexualität erhöht die Chance auf dem freien Markt der Vergnüglichkeiten um theoretisch das Doppelte. Scheinbar. Denn durch einen bloßen Blick im Foyer der Party schrumpften diese Vorstellungen sekundenschnell gegen Null: Figuren, entsprungen aus einem Roman Leslie Feinbergs vom Anfang dieses Jahrhunderts, sehen aus wie frisch gequält. Eine sieht aus wie ein gepudertes und zu 40 Prozent aus Lippen bestehendes, an blonder Löwenmähne serviertes Filetgesicht. Ihre Partnerin: ein echt androgynes Gesamtbild, aufgestellterHemdkragen mit Lederkrawatte, Anzug und gel-glänzende Haare in Strippen aufgestellt. Nur nicht genau hinsehen. Ich will auch gar nicht mehr wissen, wie es untenrum weitergeht.

Aber dies war nur der Anfang. Dann kam sie. Sie, deren Lederoutfit durch Breitbeinigkeit und Zippo-Feuerzeug eine Komplexität erhielt, in der ihre, schmal zusammengekniffenen Augen fasst als erotische Komponente gedeutet werden könnte. Aber bi heißt ja auch, einen begehrenden Blick auf das andere Geschlecht zu werfen, und ich Glückskind konnte doch sofort ein Exemplar ausmachen. Es blinkte mich an und war ein Er. Da guckt frau schon mal nach unten – und dann sowas: ein Männlichkeitssymbol mit Batteriebetrieb in Form einer kleinen blinkenden Lichterkette in rot gehalten, das Ganze aufgepappt am Hosenschlitz dieses Jünglings. Unwillkürlich muss ich an die armen Tiere denken, die zu Weihnachten verschenkt und zu Silvester wieder ausgesetzt werden. Ich will nicht mehr. Nicht mehr bi.

Christie Tratsch

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