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Archiv-Artikel

Ab auf’s Sofa

Es ist weit mehr als nur ein Sitzmöbelstück. Das Sofa ist der Mittelpunkt des Wohnzimmers, treuer Fernsehfreund und Arbeitsgefährte. Neue Trends geben Form, Farbe und Design des gemütlichen Aufenthaltsortes an

Große Sitzlandschaften und Couchgarnituren mit vielen Elementen sind nicht mehr aktuell

von Julia Brodersen

An manchen Tagen wirkt es wie ein Magnet. Ein Loskommen von ihm scheint fast unmöglich zu sein. Dabei muss es einiges aushalten. Heiße Spaghettiteller, brummende Laptops und mittagsstündliches Schnarchen lässt es ruhevoll auf sich geschehen: das Wohnobjekt Sofa, das uns deshalb in einer Fülle, hauptsächlich ungenutzter, Formen zur Verfügung steht.

Einzig und allein den Zweck des „Sitzens“ erfüllt das gemütliche Möbelstück schon lange nicht mehr. Auf dem Sofa wird gelebt. Tätigkeiten wie Telefonieren, Essen, Arbeiten, Lesen oder Schlafen lassen sich scheinbar am besten auf weichem Untergrund erledigen. Geschont wird das Polster nur bei der Katze. Die kriegt eine Decke untergeschoben.

Die Couch – englische Übersetzung für Sofa –, bei deren Bezeichnung sich unwillkürlich Bilder von zerknautschten Sitzgarnituren ins Gedächtnis drängen, steht für eine weitere Tätigkeit. „Auf der Couch“ verwenden wir synonym für eine Behandlung beim Psychotherapeuten: Besinnung in waagrechter Position.

Dass sich stressige Arbeiten mit einer entspannenden Körperlage kombinieren lassen, wussten bereits die Osmanen, die mit der suffa eine Ruhebank besaßen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts führten die Europäer diese als das Sofa ein. Lange Fernsehabende sollten somit in ferner Zukunft bequemer gestaltet sein.

Gibt das Sofa in der Regel Platz für ein oder mehrere Gesprächspartner, kann sich auf der Chaiselongue nur eine einzelne Person breit oder lang machen. Der „lange Stuhl“ wurde erstmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts, zur Zeit des Rokoko, in Paris angefertigt. Die Sitzfläche mit nur einer seitlichen Armlehne und keiner Rückenwand macht den Eindruck eines in die Länge gezogenen Stuhls.

Ebenfalls keine Rückenlehne, dafür aber zwei seitlich geschwungene Armlehnen, hat die Récamière. Julie Récamier, eine beliebte Muse von Künstlern, gab der Liege ihren Namen. Statt sie frei in den Raum zu stellen, rückte man das Möbelstück an eine Wand und legte Rückenpolster darauf. Heute ist das Design der Récamière offener gestaltet, eine leicht versetzte Armlehne dient gleichzeitig als Rückenwand.

Als Diwan wurden seit dem 18./19. Jahrhundert die niedrigen Polsterbänke in den Versammlungssälen des türkischen Staatsrats beim Sultan bezeichnet. Sie waren direkt an die Wände montiert und kamen daher ohne Lehne aus. Heute findet der Diwan als flache, gepolsterte Liege Verwendung. Hätte es in der Geschichte nicht Herrscher gegeben, die höher sitzen oder bequemer liegen wollten als das gemeine Volk, würden uns wahrscheinlich immer noch die Gesäßknochen auf nackten Bänken weh tun.

Als Ausbund an Bequemlichkeit machen sich Sofas auch außerhalb der Wohnzimmer breit. Kneipen und Coffeeshops profitierten vom Sofagefühl. Statt dass die Kunden auf schmalen Barhockern sitzen müssen, können sie mit ihrem Milchkaffee in einer Couch versinken. Da klönt es sich besser.

„Das Sofa ist zu einem Kommunikationsfaktor geworden, ein Möbel auf dem alles „besprochen“ wird, meint Michael Eck, Geschäftsführer des Möbel- und Lifestylehauses „Die Wäscherei“ in Winterhude. „Sein Stellenwert nimmt deutlich mehr zu als zum Beispiel der des Sessels.“

Die aktuellen Trends bei Couch und Co sind Ecks Meinung nach insbesondere Sofas mit Funktionen etwa einer Liegemöglichkeit. „Ottomane, Sofas mit ausladend großen Sitzflächen, die sich zum legeren Sitzen und Liegen eignen, sind sehr beliebt“, sagt Eck. Farben, Muster und Designs würden hauptsächlich von der Mode beeinflusst. Leder in Naturfarben und Brauntönen lägen im Trend. Die „Wäscherei“ designt eigenständig Sofas und Sessel, eine neue Kollektion erscheint im März. Dabei handelt es sich um einzelne Modelle in verschiedenen Farben, die nach Belieben zusammenstellbar sind.

Julia Wardin hat ein Sofa schon von innen gesehen. Bevor sie ihr Studium in Interior Design an der Akademie Mode und Design (AMD) in Hamburg begonnen hat, machte sie eine Ausbildung als Raumausstatterin. Ihre Hauptaufgabe bestand im Aufpolstern alter „Liebhaberstücke“ aus der Biedermeier-Zeit, dem Jugendstil, Art Déco und der Postmoderne.

„Bei solchen Modellen wendet man die traditionelle Art des Polstern mit einem Holzgestell an“, sagt Wardin. „Heute geht der Trend eher hin zu leichteren Gestellen aus Metall.“ Anstelle von synthetischen und natürlichen Füllstoffen wie Watte oder Palmfasern, wird in neueren Modellen hauptsächlich Schaumstoff für die Polsterung verwendet.

Die Vielfalt an Sofa-Arten ist groß. „Grob unterscheiden lassen sich Sofagarnituren, Ecksofas und Funktionssofas voneinander, dabei ist wichtig, ob es sich um Vollpolstermöbel oder Polstermöbel mit sichtbarem Gestell handelt“, sagt Wardin, die neben ihrem Studium in einer Firma für Yachtdesign jobbt.

Das Sofa schließt sich dem Trend einer neuen Sachlichkeit und Nüchternheit an, die sich bereits in der Raumgestaltung und Mode entwickelt hat. „Die Leute wollen kein Schnickschnack mehr, sondern ein praktisches Design, das bequem ist“, bestätigt Roberto Baldi. Der ursprünglich aus der Nähe von Rimini stammende Sitzmöbeldesigner und Polsterer spezialisiert sich in seinem Atelier im Grindelviertel auf die modernen Klassiker der Sechziger und Siebziger Jahre. „Die Möbel aus dieser Zeit sind noch richtig durchdacht gewesen. Heute werden teilweise Stoffe verwendet, die dünn sind wie eine Mortadellascheibe“, erklärt Baldi und nennt sein großes Vorbild, den dänischen Designer und Architekten Arne Jacobsen, der unter anderem für seinen Sessel „Der Schwan“ berühmt geworden ist.

Mit mehr als dreißig Jahren Erfahrung in seinem Beruf weiß Roberto Baldi auch, was derzeit „out“ ist: „Große Sitzlandschaften und Couchgarnituren mit vielen zusammensetzbaren Sitzelementen sind nicht mehr aktuell.“ Sich auf einem Riesenschnitzel auszuruhen ist dagegen „in“. Das Modelabel „LaLa Berlin“ hat jüngst ein Sofa in Form eines leckeren, goldbraun panierten Schnitzels entworfen. Darauf lässt es sich besonders gut gammeln. Eine überdimensionale Zitronenscheibe mit Petersilie dekoriert dient als Kopfkissen. Dann mal guten Appetit und angenehmes Ausruhen. Auf Sofa oder Schnitzel.