■ Ab Heute: Puppentheater-Festival: Feinmechanik der Rührung
AB HEUTE: Puppentheater-Festival
Feinmechanik der Rührung
„Puppentheater ist bildende Kunst plus Feinmechanik“. Sagt „Theatrium“-Chef Detlef Heinichen und hat schon gar keine Lust mehr, sich über die ignorante Kulturbehörde zu ärgern, die nun schon fünf Jahre die professionelle Arbeit der Bremer Puppenbühne übersieht. 8.000 Mark kostet das am Dienstag beginnende 9. Bremer Puppentheaterfestival — soviel wird das „Theatrium“ im Packhaus-Theater auch in diesem Jahr wieder ganz alleine einspielen. Man lebt von der Hand in den Mund, aber man lebt.
Fünfter Geburtstag, neuntes Festival: Heinichen hat für die Festwoche wieder einige Highlights nach Bremen geholt. Wie immer gibt es, von heute an bis Sonntag, am Nachmittag um 15 Uhr eine Kindervorstellung und abends um acht eine Vorstellung für die reifere Jugend.
In der alten DDR hatte das Figurentheater einen sehr geachteten Stellenwert im Kulturbetrieb. Heute noch gibt es 14 staatliche Puppentheater, in Dresden z. B. ein richtig großes Haus. Zu Honeckers Zeiten mit gewagten, verschlüsselten Programmen wider das Funktionärswesen unterwegs war das Theater Handgemenge aus Berlin. Handgemenge wird das Bremer Publikum mit eigenwilligen Aufführungen überraschen — „Wer andern in die Stube schlägt, malt selbst Verein“ ist eine seltsame Hommage an Kurt
„Puppentheater ist bildende Kunst plus Feinmechanik“
Schwitters und Jean Tardieu; „Manfred im Boot“ erzählt mit Handpuppen, Sack und Krone ein Märchen aus dem schweren Leben eines Königs. (Freitag, 20 Uhr)
Das zweite Highlight kommt aus Israel und ist Ergebnis eines Experimentalprojekts verschiedener Jerusalemer Theater. Yehuda Almagor ist „Der Zwerg“, ein häßlicher, böser und obszöner Gnom an der kurzen Leine eines Prinzen. Wie kurz die Leine ist, wird im Verlaufe des Stückes klar — das Zwergenkostüm hängt als Körpermaske um den Hals des Prinzen/Erzählers. Das symbolstarke Monodram ist auf etlichen europäischen Festivals gezeigt worden und wird allgemein als Spiegelbild einer deformierten und dämonisierten Gesellschaft gedeutet. (Sonntag, 20 Uhr)
Im Kinderprogramm ist erstmals in Bremen das Figurentheater Uli Schlott aus Wismar zu sehen mit einer Bearbeitung von Grimms „Dornröschen“. Ebenfalls erstmals in Bremen: Firlefanz aus Dresden. Aber Ex-Ossi Heinichen bringt auch Wessis auf die Bühne, wie das Krokodiltheater aus Tecklenburg mit der „Moritat vom betrogenen Tod“ und das Figurentheater Ginanz aus Göttingen mit einer Travestie auf Schillers Don Carlos, die 1852 geschrieben wurde — Klamauk, Mord und Totschlag en gros, dazu vergessene Gassenhauer.
Gestartet wird das Festival heute um 19 Uhr mit der Eröffnung einer Ausstellung von Bildern des gebürtigen Bremers Matthias Hüls, der zum Thema Puppentheater gemalt hat. Dazu sind heute (20.30 Uhr) sowie Mittwoch um 20 Uhr Eigenproduktionen des „Theatrium“ zu sehen: Borcherts „Draußen vor der Tür“ und die „Varieté von Holz-Revue“. Bus
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