AUS DEM RECHT AUF NAHRUNG FOLGT EINE PFLICHT ZUR LANDREFORM: Manchmal hilft nur Enteignung
Alle Menschen haben ein Recht auf Nahrung, steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Bisher hilft denen, die Hunger haben, dieses Recht herzlich wenig: Es steht auf dem Papier. Es einzuklagen hat keinen Sinn – kaum ein Gericht hat einen solchen Prozess jemals ernst genommen.
Das soll sich ändern, wenn Verbraucherschutz- und Ernährungsministerin Renate Künast mit ihrem Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung, der auf der Welthungertagung in Rom im Juni vorgelegt wird, Erfolg hat. Denn der Kodex soll von jedem Unterzeichnerland in nationales Recht umgewandelt werden. Er wäre von diesem Moment an verbindlich und auch vor Gericht zu beachten.
Immerhin. Die Einklagbarkeit des Rechts auf Nahrung ist ein bedeutender Schritt im Kampf gegen den Hunger. Doch ob dieser Schritt wirklich in die richtige Richtung führt, wird weiterhin auch vom guten Willen jeder Regierung abhängen.
Nach den Kriegsfolgen ist der Hauptgrund, warum fast eine Milliarde Menschen nicht genug zu essen haben, die ungleiche Verteilung von Land. Diese aufzuheben, bedarf es Landreformen rund um die Welt. Aus der Sicht derer, die viel Land besitzen – und in manchen Ländern liegt sehr viel Grundbesitz in den Händen sehr weniger Fami- lien –, ist das Enteignung. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung, wie sie in so gut wie allen Entwicklungsländern herrscht, hält den Schutz des Privateigentums hoch. Was für Kleinbauern wünschenswert ist, weil es die Nahrungsproduktion sichert – die Absicherung nichtschriftlicher Besitztitel vor Übergriffen des Staates oder der Großgrundbesitzer –, gilt auch dann, wenn der Landbesitz eine Gesellschaft gerade nicht vor Hunger schützt. In dieser Lesart ist Enteignung aus sozialpolitischen Gründen generell ein Kapitalverbrechen. Dabei ist der Zusammenhang von Großgrundbesitz und Hunger seit den 60er-Jahren bekannt. Wirkliche Landreformen werden immer wieder eingefordert und doch kaum – nicht einmal gegen Entschädigung – je durchgesetzt.
Ein weiterer Grund für den Hunger liegt in der Welthandelspolitik. Moderne und verschuldete Volkswirtschaften setzen auf Export. Arme Länder aber haben oft nichts, was sie verkaufen können – außer Agrarprodukten, die eigentlich zur Ernährung der einheimischen Bevölkerung nötig wären. Zwar klagen viele Regierungen, die Exportorientierung würde ihnen von Weltwährungsfonds und Welthandelsorganisation vorgeschrieben. Aber keine Organisation zwingt den Reisproduzenten in Indien oder den Plantagenbesitzer in Brasilien, die Ernte in der Hoffnung auf steigende Weltmarktpreise in den Lagern verrotten zu lassen.
KATHARINA KOUFEN
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