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Archiv-Artikel

AUFM PLATZ Ghanas Akkuratesse

Es war purer Zufall, dass der Ball zu Asamoah Gyan geflogen kam, wie er kam. Wie er ihn reinhämmerte indes, war kein Zufall. Gyans Siegtor für Ghana zum 2:1 gegen die USA war der Triumph eines großartigen Mixes von Tempo, Durchschlagskraft und Entschlossenheit. Beide ghanaischen Treffer waren Konteraktionen, die überhaupt nichts vom Klischee afrikanischer Spielkunst hatten. Es waren keine Kreationen aus der Lust des Augenblicks, es waren akkurate Reißbrett-Aktionen, bei denen das fehlerhafte Defensivverhalten der USA und der dadurch entstandene Raum klinisch kalt ausgenutzt wurden.

Ghana ist darum das afrikanische Team, das es ins Viertelfinale geschafft hat, weil es im Gegensatz zu Team Drogba und Team Eto’o als Mannschaft funktioniert. Der Serbe Milovan Rajevac lässt keinen Fußball spielen, den man als identitär ghanaisch oder schwarzafrikanisch beschreiben oder fühlen kann. Es ist der in diesem Turnier übliche Reduktionsfußball, der Teams ohne herausragende individuelle Klasse zum Erfolg führen soll und es in diesem Fall auch tat.

Ghana ist hierarchieflach, bienenfleißig und effizient. Mal abgesehen von Gyans Turbo-Tor entspricht der Glamourfaktor Ghanas dem der Slowakei. Nichts gegen den lustigen Leverkusener Ergänzungsspieler Hans Sarpei, aber würde man eine Top 20 der Bundesliga-Außenverteidiger ranken, wäre er nicht dabei. Der gebürtige Kölner gehört sicher zu den unauffälligsten Spielern der Bundesliga. Selbst wenn man ihn oft gesehen hat, ist sein Spiel schwer zu beschreiben. Er funktioniert indes im Verbund mit den anderen neun Defensiv-Organisierern, wie derzeit auch der Berliner Kevin-Prince Boateng. Zumindest gegen ein anderes Mittelklasseteam wie die USA, das dank seines solitären Weltklassefußballers Landon Donovan zwar ein bisschen mehr Kreativität hatte, dem aber die strukturelle Akkuratesse Ghanas abging.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ghana bei aller Struktur und Disziplin eine Chance hätte gegen den Mix aus Organisation und individueller Klasse, wie ihn Brasilien und Spanien repräsentieren. Doch im Viertelfinale am kommenden Freitag treffen sie ja nun mal auf Uruguay. Dieses Team hat mehr taktische Varianten zur Verfügung als Ghana. Und es hat mit Forlán und Suárez zwei Weltklasse-Kreative und zudem noch den Stürmer Cavani. Das ist selbstverständlich gut für sie, wie man beim 2:1 gegen Südkorea gesehen hat. Es kann aber auch ein Problem für die Spielkontrolle sein, wenn die Balance zwischen den acht Defensivorganisatoren und den drei Jungs vorn nicht stimmt. Ghana – Uruquay wird vermutlich ein Spiel, in dem ein einziger Fehler entscheidet. Beide Teams werden ihre Priorität darauf legen, ihn nicht zu machen. Entsprechend wird die Partie ablaufen – solange keiner den Fehler macht.

PETER UNFRIED